Gesunde Arbeit

30 Jahre ASchG: Wie steht es um die Umsetzung in den Betrieben?

Anlässlich des diesjährigen 30-Jahre-Jubiläums des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) wurde eine umfassende Studie zur Entwicklung des Arbeitnehmer:innenschutzes in Österreich erstellt. Die Studie zeigt, dass in vielen Betrieben die Umsetzung des ASchG mangelhaft erfolgt.
Die Zahl der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen nahm in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zu.
Hitze, Digitalisierung und Gewalt am Arbeitsplatz stellen besondere Herausforderungen im Arbeitnehmer:innenschutz dar.
Zahl der Krankenstandstage Die Zahl der Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen nahm in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zu.
Herausforderungen für den Arbeitnehmer:innenschutz Hitze, Digitalisierung und Gewalt am Arbeitsplatz stellen besondere Herausforderungen im Arbeitnehmer:innenschutz dar.

Die Studie wurde von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) im Auftrag der AK Wien durchgeführt. Kern der Untersuchung ist eine Analyse der Wirkungsgeschichte des ASchG vor dem Hintergrund einer sich verändernden Arbeitswelt mit neuen Gefahren am Arbeitsplatz. In methodischer Hinsicht umfasst die Studie neben einer Literaturanalyse, Expert:inneninterviews und Betriebsfallstudien auch eine Onlineerhebung unter Betriebsratsvorsitzenden in Österreich und unter Sicherheitsvertrauenspersonen in Wien.

Große Bedeutung des ASchG Die befragten Expert:innen sind sich einig, dass die Einführung des ASchG vor 30 Jahren einen Meilenstein der rechtlichen Absicherung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer:innen darstellt. Dies deshalb, weil die Arbeitgeber:innen damit erstmals verpflichtet wurden, sich aus ihrer Verantwortung heraus um den Sicherheits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu kümmern. Dennoch wird von den Expert:innen bemängelt, dass etliche arbeitnehmer:innenschutzrelevante Themen nach wie vor ungeregelt sind. Dies betrifft etwa das Fehlen einer umfassenden Evaluierungsverordnung oder einer Verordnung über die Lastenhandhabung oder die verpflichtende Messung von gesundheitsschädigenden Arbeitsstoffen etc.

Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz haben sich verändert In den letzten Jahrzehnten haben sich beträchtliche sozioökonomische und arbeitsmarktbezogene Veränderungen vollzogen. Dienstleistungen wurden insgesamt bedeutsamer, Prozesse der Automatisierung und Digitalisierung haben stattgefunden, und der Anteil an Frauen, Migrant:innen und älteren Personen an der Erwerbsbevölkerung ist gestiegen. Gleichzeitig lassen sich vermehrt atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse finden. Mit dem Strukturwandel verändern sich auch die Gesundheitsrisiken und -gefahren für die Beschäftigten: Manche körperlichen Belastungen verlieren an Bedeutung, bestimmte ergonomische Risiken bestehen weiter fort (etwa repetitive Bewegungen, das Bewegen schwerer Lasten sowie langes Stehen und Sitzen). Überdies nimmt die Bedeutung psychischer Gefahren am Arbeitsplatz deutlich zu. Gerade die zunehmende Digitalisierung führt oft zu einer Verdichtung der Arbeit, zu gestiegenen Flexibilisierungs- und Mobilitätsanforderungen, aber auch zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit etc. Dies hat die Zunahme psychischer Gefahren zur Folge (Überlastung, Technostress etc.).

Die veränderte Gefahrenlage lässt sich messen Die Veränderungen hinsichtlich einschlägiger Daten und Dimensionen (wie etwa Krankenstände oder Arbeitsunfälle) sind ambivalent, sie spiegeln aber die Veränderungen in der Arbeitswelt wider. So reduzierte sich in Österreich die Anzahl der durchschnittlichen Krankenstandstage je Versicherte bzw. Versicherten pro Jahr von 1990 bis 2021 um knapp 20 Prozent. Dieser Rückgang verschleiert allerdings die seit Jahren beobachtbare Tendenz des zunehmenden „Präsentismus“, also der Neigung der Beschäftigten, trotz Krankheit zu arbeiten. Die Krankenstandsursachen haben sich über die letzten Jahrzehnte deutlich verschoben, weg von Verletzungen infolge von Arbeitsunfällen hin zu Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und psychischen Erkrankungen. Die Arbeitsunfallrate (ohne Berücksichtigung der Wegunfälle) fiel von gut 5 Prozent aller Beschäftigten im Jahr 1995 auf etwa 2,4 Prozent im Jahr 2021.

Säumigkeit vieler Arbeitgeber:innen bei Umsetzung des ASchG Die Onlinebefragung unter Betriebsratsvorsitzenden und Sicherheitsvertrauenspersonen weist Versäumnisse in der gesetzeskonformen Umsetzung des ASchG durch viele Arbeitgeber:innen nach. Dies betrifft etwa die Dimensionen der adäquaten Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Unterweisung der Beschäftigten in Fragen des sicheren und gesunden Arbeitens, aber auch der Maßnahmen gegen Hitze am Arbeitsplatz, gegen Risiken der Digitalisierung der Arbeit oder gegen Gewalt(androhung) am Arbeitsplatz. Eine Evaluierung psychischer Belastungen findet in vielen Betrieben gar nicht oder nur unzureichend statt. 23 Prozent der Betriebe führen keine solche Evaluierung durch, in Kleinbetrieben mit bis zu 50 Beschäftigten beinahe die Hälfte. Bei Durchführung einer Evaluierung psychischer Belastungen werden nur in 52 Prozent der Fälle psychische Gefahren und damit Handlungsbedarf zur Beseitigung oder Reduzierung dieser Gefahren festgestellt – ein Ergebnis, das an der Qualität der Evaluierungen zweifeln lässt. Generell kann im Hinblick auf die Evaluierung psychischer Belastungen festgestellt werden, dass bei vielen Arbeitgeber:innen in Österreich sowohl der Wille als auch das Wissen (und die Unterstützung durch Expert:innen) fehlen.
In Großbetrieben und bei guter Einbindung des Betriebsrats in betriebliche Organisationsabläufe funktioniert die Implementierung des ASchG insgesamt besser.


Herausforderungen für die Zukunft Insbesondere Muskel-Skelett-Erkrankungen (als häufigste arbeitsbedingte Erkrankung in Österreich) als auch arbeitsbedingter Krebs müssen durch Präventivmaßnahmen verstärkt adressiert werden. Bezüglich der Grenzwerte für die höchstzulässige Dosis krebserzeugender Stoffe besteht hierzulande großer Nachholbedarf. Psychische Belastungen und Erfahrungen mit Gewalt(androhung) am Arbeitsplatz nehmen zu; diesbezüglich müssen die Arbeitgeber:innen verstärkt sensibilisiert und von Expert:innen unterstützt werden. Und schließlich bedarf es angesichts der sich verschärfenden Klimakrise verbindlicher Handlungsanordnungen für Arbeitgeber:innen zum Schutz der Beschäftigten vor übermäßiger Hitze.

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