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Präsentismus und die schleichenden Folgen für die Gesundheit

Seit Homeoffice vermehrt genutzt werden kann, steigt für Arbeitnehmer:innen auch die Versuchung, im Fall von Krankheit einfach weiter von zu Hause aus zu arbeiten. Dies führt jedoch zu einer „Lose-Lose-Lose-Situation“ und ist definitiv nicht alternativlos.

Adobe Stock / baranq

Präsentismus leitet sich vom Wort Präsenz – also Anwesenheit – ab. Von Präsentismus spricht man somit immer dann, wenn Arbeitnehmer:innen trotz Erkrankung arbeiten gehen. Dies führt üblicherweise zu einer „Lose-Lose-Lose-Situation“ für Arbeitnehmer:innen, Kolleg:innen und das Unternehmen. Für die Arbeitnehmer:innen selbst führt das häufig zu einer Verschleppung der Erkrankung, da man nicht genug Zeit für die Genesung hat; das Risiko von Unfällen steigt, da man nicht fit ist und es steigt auch die Gefahr von Folgeerkrankungen. Aber auch für die Kolleg:innen ist Präsentismus nachteilig: die Gefahr, angesteckt zu werden, etwa bei Infektionskrankheiten, oder vom erhöhten Unfallrisiko durch die kranken Kolleg:innen betroffen zu sein. Und auch für den Betrieb entsteht ein Schaden. Kranke Beschäftigte sind weniger produktiv, wenn sie oder andere infolge von Präsentismus ausfallen, es entsteht ein größerer Schaden und die eigene Unternehmenskultur bekommt den Stempel eines schlechten Arbeitsklimas.

Präsentismus – ein Versagen auf Arbeitgeber:innenseite

Angst vor Jobverlust, zu wenig Personal und das Gefühl, Kolleg:innen im Stich zu lassen, bzw. Termindruck oder negative Konsequenzen durch die Führungskräfte sind die Hauptursachen für Präsentismus. Das Phänomen an sich ist nicht neu. Arbeiterkammer und Gewerkschaften weisen seit Jahren auf die Entwicklung und die Gefahren hin.
Besonders besorgniserregend ist jedoch die Entwicklung seit Ausbruch der Coronapandemie. Seit März 2020 wird Homeoffice in einem nie dagewesenen Ausmaß genutzt. Das führt jedoch zu einem vermehrten Aufkommen von Präsentismus bzw. dazu, krank von zu Hause aus weiterzuarbeiten. Eine repräsentative Befragung der Arbeiterkammer Wien aus 2020 ergab, dass fast 60 Prozent der Befragten krank von zu Hause aus arbeiten würden. Dazu muss man ganz klar sagen: „Homeoffice ist nicht dazu da, um von zu Hause aus krank weiterzuarbeiten!“

Was also tun?

Der wichtigste Appell an Beschäftigte, wenn sie sich nicht gesund fühlen: Kontaktiert eure Vertrauensärztin oder euren Vertrauensarzt! Es ist klar eine medizinische Entscheidung, ob man arbeits(un)fähig ist – nicht die der Führungskraft und auch nicht die des Terminkalenders!

Der zweite Hebel setzt bei den Führungskräften und der Unternehmenskultur an. Gesundes Führen ist nicht nur, aber auch eng verbunden mit Vertrauen und der Möglichkeit, „guten Gewissens“ krank sein zu können. Zum Thema gesundes Führen gibt es zahlreiche Angebote, und dies kann beispielsweise im Zusammenhang mit der betrieblichen Gesundheitsförderung adressiert werden.

Und als dritter Hebel ist die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsplatzevaluierung zu sehen. Sie zeigt auf, wo strukturelle Probleme, wie etwa zunehmender Arbeitsdruck, zu knappe Personalbemessung oder Angst vor Arbeitsplatzverlust, vorherrschen und Präsentismus begünstigen. Präsentismus darf nicht zur Pandemie in der Pandemie werden!

Magazin Gesunde Arbeit 4/2022

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