Gutes Klima im Traumazentrum
Nachtschichten, 12-Stunden-Dienste, unzufriedene PatientInnen und Angehörige, Dauerstress wegen ständig steigender Personalknappheit, Erschöpfung, Demotivation, Jobwechsel: Ist diese Kaskade tatsächlich unvermeidbar? Ein Lokalaugenschein im Lorenz-Böhler-Spital.
Offiziell ist das ehemalige Unfallkrankenhaus im 20. Wiener Gemeindebezirk seit Kurzem ein Teil des Traumazentrums Wien. Denn mit Beginn des Jahres 2018 wurden die AUVA-Unfallkrankenhäuser Meidling und Lorenz Böhler zum Traumazentrum Wien zusammengelegt. Hauptaufgabe des Standortes Brigittenau/Lorenz Böhler wird in Zukunft die Nachbehandlung schwerer Verletzungen sein. „Der Hubschrauber-Landeplatz auf dem Dach bleibt jetzt von Freitagnachmittag bis Montagabend ungenutzt. Für Notfälle ist dann Meidling zuständig und unser Schockraum wird geschlossen“, erklärt uns Manfred Rabensteiner, Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates, auf dem Weg zu Station 4.
Die Gesundheits- und Krankenpflegerinnen Eva und Sabine arbeiten seit mehr als 25 Jahren im Lorenz Böhler. Durch den Zusammenschluss hat sich für die beiden nicht viel verändert. Eva war zwar schon einige Tage lang zum Kennenlernen im Schwesterkrankenhaus in Meidling, ist aber sehr gerne wieder zurückgekommen. „Die Arbeitsbedingungen sind gut und wir alle hier sind ein tolles Team.“
Flexibilität ist möglich
Die gebürtige Tschechin hat zwei Kinder mit 19 und 15 Jahren: „Auch als die beiden klein waren, habe ich voll gearbeitet. Das klappte ganz gut, unter anderem weil meine Mama mich sehr unterstützt hat.“ Jetzt macht sie meist vier 10-Stunden-Dienste pro Woche. „Die langen Dienste sind zwar manchmal anstrengend, aber sie haben den Vorteil, dass ich an den anderen Tagen auch tagsüber Zeit habe, um die Kinder zur Schule zu bringen, einkaufen zu gehen etc.“ Im Krankenhaus gibt es zwar keinen Betriebskindergarten, aber dafür Zuschüsse zu Tagesmüttern, Kindergruppen u. Ä. Die Dienste können flexibel eingeteilt werden und individuelle Teilzeit-Lösungen sind möglich. „Unsere Dienstpläne werden über ein Computerprogramm rund zwei Monate im Vorhinein erstellt“, erzählt Sabine. „Bei der Diensteinteilung steht rotierend jedes Mal eine andere Person an der Spitze. Diese trägt ihre Dienste ein und die anderen richten sich dann danach.“
Weil ihre Kinder schon aus dem Gröbsten raus sind, hat Eva mit einer Weiterbildung begonnen. „Wenn dann noch lange Dienste dazukommen, bin ich schon manchmal sehr müde. Aber das ist nur vorübergehend und ich kann mich zwischendurch auch ausreichend erholen.“ Offiziell gefördert wird die Erholung auch durch Gutscheine für Thermenbesuche oder Fitnesskurse, Physiotherapie-Angebote etc.
Selbst kochen oder Kantine?
Ihre Kollegin Sabine arbeitete eine Zeit lang aus gesundheitlichen Gründen 30 Stunden pro Woche, möchte aber jetzt wieder aufstocken. Die Mittagspause fällt normalerweise in den Zeitraum zwischen 12 und 14 Uhr und dauert 20 bis 30 Minuten. Außerdem versuchen beide, vormittags und nachmittags eine Pause von rund 10 Minuten einzuhalten. Dafür gibt es mehrere kleine, freundlich und funktionell eingerichtete Pausenräume mit Wasserkocher, Kaffeemaschine etc. Völlig abschalten können die Beschäftigten hier allerdings nicht, die Klingelrufe der PatientInnen sind auch hier hörbar.
Der Speisesaal des Krankenhauses ist zwei Stunden lang über Mittag für alle Beschäftigten geöffnet. Falls nötig, wird das Personal im OP und im Schockraum direkt vor Ort mit Essen versorgt. Im Nachtdienst wird kalte Verpflegung vom Haus gestellt.
Eva und Sabine essen nur selten in der Kantine. Denn in jeder Stationsküche gibt es auch einen Herd und eine Mikrowelle, meist kocht eine Kollegin für mehrere oder wärmt von zu Hause Mitgebrachtes auf. Die Zusammenarbeit im Team klappt in jeder Hinsicht sehr gut. Dienste zu tauschen ist meist problemlos möglich. Wenn jemand überraschend ausfällt, werden zuerst die Teilzeitkräfte gefragt, ob sie einspringen können.
Personalknappheit
Als Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrats kann Manfred Rabensteiner das positive Feedback bestätigen: „Arbeitszeit-Überschreitungen beziehungsweise Ruhezeit-Unterschreitungen kommen bei uns wirklich sehr selten vor. Aber falls doch, dann nur, weil es für die PatientInnen erforderlich ist. Und es erfolgt immer die Meldung an das Arbeitsinspektorat.“
Sein Kollege Peter Redl, Vorsitzender des ArbeiterInnenbetriebsrats, nickt zustimmend und meint: „Ein echtes Problem ist die Personalknappheit, die ist in allen Bereichen oft auch schon für die Patientinnen und Patienten spürbar.“ Bei kurzfristigen Engpässen helfe es manchmal, Personal von Meidling „auszuleihen“, wobei die Situation dort ebenfalls schwierig ist. Daher machen in Urlaubs- und Grippezeiten die Teilzeitkräfte regelmäßig Mehrarbeit bzw. Überstunden, zum Teil werden auch Fremdfirmen eingesetzt, etwa beim Reinigungspersonal. Was Dienstpläne und Schichtzeiten betrifft, herrsche ansonsten in allen Bereichen weitestgehend Zufriedenheit, konstatieren beide Betriebsräte.
Sicher, auch das Lorenz Böhler ist keine Insel der Seligen. Für einen möglichst reibungslosen Betrieb ist auch hier Security-Personal nötig. Denn es kommt immer häufiger vor, dass PatientInnen lauthals schimpfen oder randalieren. Auch die ständig steigende Zahl von PatientInnen mit Demenzerkrankung macht den Alltag von ÄrztInnen und Pflegepersonal nicht einfacher.
Doch wenn man sie nach ihren Wünschen für die Zukunft fragt, sind sich die beiden Krankenschwestern Eva und Sabine erstaunlich rasch einig: „Wir sind hier sehr zufrieden, auch mit der interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem restlichen Personal wie etwa den ÄrztInnen. Wir wünschen uns nur, dass das Lorenz Böhler weiter bestehen bleibt – und dass die Kooperation mit Meidling auch in Zukunft so gut klappt wie bisher.“
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 4/2018