„Mein Wunsch: Sicherheit und Gesundheit an jedem Arbeitsplatz“
Viele in Österreich kennen die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) mit Sitz in Bilbao aufgrund ihrer Kampagnen für gesunde Arbeitsplätze. Martina Häckel-Bucher aus dem Zentral-Arbeitsinspektorat ist als Vertreterin der nationalen Kontaktstelle (Focal Point) das Bindeglied zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und der EU-OSHA. „Gesunde Arbeit“ sprach mit ihr über ihre Arbeit.
Welche Rolle kommt der nationalen Kontaktstelle in der Zusammenarbeit mit der EU-OSHA zu? Was sind Ihre Hauptaufgaben?
Als nationale Kontaktstelle fungiere ich als Brücke zwischen der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) und Österreich. Ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit besteht darin, für den Informationsaustausch und den Wissenstransfer über aktuelle Entwicklungen im ArbeitnehmerInnenschutz, über Projekte, Maßnahmen und Strategien zu sorgen. Auch die Planung und Umsetzung der EU-OSHA-Kampagnen in Österreich gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dabei werde ich tatkräftig durch das dreigliedrige nationale EU-OSHA-Netzwerk unterstützt, in dem österreichische ExpertInnen im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz vertreten sind. Gemeinsam versuchen wir, über Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit den jeweiligen Präventionsschwerpunkt der EU-Kampagnen in Österreich bekannt zu machen oder für andere wichtige ArbeitnehmerInnenschutz-Themen zu sensibilisieren.
Die Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“ endet im Herbst 2022. Was waren die bisherigen Highlights?
Grundsätzlich war diese Kampagne zur Prävention arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) anders als alle vorangegangen. Die Pandemie hat uns gezwungen, altbewährte Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren. Die Anzahl der ArbeitnehmerInnen, die im Homeoffice und oftmals an ergonomisch ungeeigneten Arbeitsplätzen arbeiten mussten, stieg rapide an. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, fand die Auftaktveranstaltung zur Kampagne erstmals online statt, wodurch mehr als 1.000 TeilnehmerInnen über Livestream mit dabei sein konnten. Sehr wirkungsvoll war, dass die AUVA das Thema MSE zeitgleich zu ihrem Präventionsschwerpunkt „Packen wir's an“ gemacht hat. Auch die Arbeitsinspektion unterstützt die Kampagne mit einer breit angelegten Beratungsoffensive und einem Kontroll- und Beratungsschwerpunkt zur Prävention von MSE bei Jugendlichen und jungen ArbeitnehmerInnen. Zum Highlight wird hoffentlich dann die österreichische Abschlussveranstaltung zur Kampagne, die am 20. Oktober 2022 stattfinden wird. Hier möchten wir das Erreichte Revue passieren lassen und auf neue Aktivitäten in der Zukunft blicken.
Österreich gewann mehrmals bei den EU-Wettbewerben für gute praktische Lösungen im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – so auch in diesem Jahr. Sind wir so gut oder haben wir die Leuchtturmprojekte?
Dass Österreich bei diesem EU-Wettbewerb gleich zwei der begehrten Auszeichnungen erringen konnte, freut mich besonders. Dies zeigt uns, dass in österreichischen Betrieben bereits sehr erfolgreich Maßnahmen zur Prävention arbeitsbedingter MSE umgesetzt werden.
Allerdings gibt es bei der Anzahl an Einreichungen noch Luft nach oben. In den meisten Fällen bewerben sich nur Großbetriebe. Ich denke, auch in kleinen Betrieben gibt es viel Engagement und innovative Ideen.
Das Reinigungsgewerbe sticht im Vergleich von 33 Branchen auf europäischer Ebene mit besonders ungünstigen Beschäftigungsbedingungen heraus. Wie können hier die Arbeitsbedingungen verbessert und Gesundheitsrisiken gesenkt werden?
Im Rahmen dieser EU-Kampagne haben wir einen besonderen Fokus auf das Thema „Reinigungsarbeit“ gelegt. Durch Veranstaltungen und Workshops haben wir die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das so wichtige Thema Tagreinigung gelenkt und so mehr Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte geschaffen. Eine maßgebliche Rolle für das Gelingen des Umstiegs auf Tagreinigung spielt die Beteiligung aller Betroffenen und die Kommunikation über die bevorstehenden Veränderungen.
„Wandel – Prävention – Vorsorge“ sind als Hauptziele im Strategischen Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz von 2021 bis 2027 genannt. Was soll bis 2027 an den Arbeitsplätzen besser werden?
Derzeit wird die neue Österreichische Arbeitsschutzstrategie (ÖAS) 2021 bis 2027 auf Grundlage der drei Hauptziele des Strategischen Rahmens der EU unter der Leitung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft gemeinsam mit Stakeholdern im ArbeitnehmerInnenschutz ausgearbeitet. Der Fokus liegt dabei auf Kooperation und Austausch. Auf Basis von Schwerpunktthemen wird in Projekten und gemeinsam an relevanten ArbeitnehmerInnenschutz-Themen wie MSE, Digitalisierung, kanzerogene Arbeitsstoffe und Gewalt am Arbeitsplatz gearbeitet. Die Zusammenarbeit soll einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen leisten. Ich persönlich wünsche mir bis 2027, dass Sicherheit und Gesundheit an jedem einzelnen Arbeitsplatz ankommen.
Was erwartet uns ab 2023 bei der neuen Kampagne „Sicher und gesund arbeiten in Zeiten der Digitalisierung“?
Die nächste EU-Kampagne wird im Oktober 2023 mit einer Auftaktveranstaltung in Österreich starten und über volle zwei Jahre laufen. Parallel dazu wird wieder der Wettbewerb für gute praktische Lösungen stattfinden und ich erhoffe mir eine rege Beteiligung österreichischer Unternehmen.
Der Fokus der Kampagne wird auf folgenden fünf Prioritätsbereichen liegen:
- Remote Work (Fernarbeit)
- Intelligente digitale Systeme
- Digitale Plattformarbeit
- Fortgeschrittene Robotik und künstliche Intelligenz
- Management der ArbeitnehmerInnen mittels künstlicher Intelligenz
Mir ist wichtig, dass Menschen lernen, die Vorteile der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen, aber auch neue Risiken bei der Arbeit zu erkennen und zu vermeiden. Diese Kampagne soll ihren Beitrag dazu leisten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Magazin Gesunde Arbeit 3/2022