Pflege: Ein machbarer Weg aus dem Belastungsdilemma
Ein Fallbeispiel der Evaluierung psychischer Belastung aus der Pflege bestätigt den Kulturwandel im Bezirksaltenwohnheim Ferlach und zeigt Wirkung: Die psychische Belastung konnte reduziert werden und die Arbeitsplatzzufriedenheit nahm signifikant zu.
Die Evaluierung psychischer Belastung hat den notwendigen Handlungsbedarf klar aufgezeigt: Sowohl die organisatorischen Strukturen als auch die Einstellung im Miteinander müssen verändert werden, will man eine nachhaltige Veränderung in der Sinn-Motivation bewirken. Die neue Heim- und Pflegedienstleitung (Wolfgang Zeileis, Gabriele Buggelsheim) hat 2022 die alte Organisationsstruktur aufgegeben und durch einen dualen Führungsansatz ersetzt. Als eine der ersten Maßnahmen wurden die Kompetenzen des Personals (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen und Pflegeassistent:innen) neu geregelt, die Schnittstellen genauer geklärt.
Das sinnorientierte Motivationskonzept in der Personalführung
Das Umsetzungskonzept orientierte sich an den Hauptpunkten der Logotherapie und Existenzanalyse von Viktor Frankl. Die Sinnfrage, das Wozu der Arbeit, rückte in den Mittelpunkt, und die Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz wurden in den Führungsgrundsätzen als gleichrangig definiert. Denn: Sinnorientierung heißt auch, die Bereitschaft zu haben, an der persönlichen Einstellung dort kritisch Fragen zu beantworten, wo eine Einstellungsveränderung notwendig ist. Während der Reorganisation haben die Führungspersonen wie auch Beschäftigte arbeitspsychologisches Einzelcoaching erhalten, welches sehr gut angenommen wurde.
Der Demotivation Nummer eins wurde ein Ende gesetzt: Die Planungssicherheit in der Freizeit, verbunden mit mehr Erholung, wurde dahingehend verbessert, dass ein Bereitschaftsdienst eingeführt wurde.
Die Post-Evaluierung bestätigt signifikante Verbesserungen
Der angestrebte Kulturwandel wurde klar bestätigt: Sowohl die operativen Arbeits- und Organisationsabläufe, das Führungsverhalten als auch das kommunikative Miteinander haben sich signifikant verbessert:
- Der psychische Beanspruchungs-Index wurde reduziert.
- Die Sinn-Motivation konnte verbessert werden.
- Die Demotivation (innere Kündigung) wurde reduziert.
- Die allgemeinen Widerstandsressourcen wurden gestärkt, parallel dazu wurde der Stress Marke „Eigenbau“ (persönlichkeitsbedingte Stressvulnerabilität) reduziert.
- Die Wertschätzung seitens der Führungspersonen hat sich verbessert.
- Die neue Tagesstruktur wird von 80 Prozent (sehr) positiv bewertet, und zwei Drittel können sich durch die geregelte Rufbereitschaft in der Freizeit besser erholen.
Das Wesentlichste: Laut nationalen Studien wollen 25 bis 40 Prozent der in der Pflege Beschäftigten den Pflegeberuf verlassen. Durch die ganzheitliche Reorganisation im vorliegenden Fallbeispiel sind es lediglich drei bis fünf Prozent. Das Projekt wurde vom Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband mit dem „Care for Future“-Innovationspreis 2024 in der Kategorie „Personal Management“ ausgezeichnet.
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 2/2024