„Du bist nicht allein!“ – Leider!
Psychische Belastungen sind in aller Munde, weil sie allgegenwärtig sind. Aber anstatt die Ursachen an der Wurzel zu packen, wird oft lediglich Symptomforschung oder -analyse betrieben. Wie hängen psychische Belastungen mit Erwerbsarbeit zusammen? Eine Bestandsaufnahme.
Seit vielen Jahren wird über psychische Belastungen geredet. Vor allem darüber, dass sie zunehmen. Doch häufig kratzen diese Diskussionen nur an der Oberfläche. Selten wird nach den konkreten Ursachen gefragt. Dass die Erwerbsarbeit eine Rolle spielt, liegt auf der Hand. Schließlich verbringen die meisten den Großteil ihrer Zeit damit. Mit dem jährlich abgefragten Arbeitsklima-Index und dem Gesundheitsmonitor werden psychische Belastungen und deren Zusammenhänge mit der Erwerbsarbeit sichtbar.
Allgemeine Verfassung
Generell lässt sich ein Abfall in der allgemeinen Lebenszufriedenheit und ein Anstieg des Pessimismus feststellen. Auch das allgemeine Wohlbefinden ist bei fast der Hälfte der Salzburger Beschäftigten eher oder sehr gering. Hier wird allerdings auch wieder deutlich, dass nicht alle im gleichen Boot sitzen. Gerade beim Wohlbefinden lassen sich nämlich deutliche Unterschiede je nach Einkommen feststellen. Diejenigen, denen ihr Einkommen nicht reicht, verzeichnen besonders tiefe Werte – und diese Gruppe hat sich zuletzt enorm vergrößert!
Körperliche und psychische Beschwerden
Doch auch an ganz konkreten Beschwerden lässt sich die gesellschaftliche Versäumnis, gute und gesunde Arbeits- und Lebensumstände zu schaffen, ablesen. So verursachen die derzeitigen Arbeitsbedingungen psychische Belastungen, wie Stressempfinden (56 %), Depressivität (53 %), soziale Isolation (43 %) und Arbeitsunlust (63 %). Diese zeigen sich auch körperlich. Ein gutes Viertel der Beschäftigten verzeichnet Erschöpfungs- und Mattigkeitserscheinungen, ein Fünftel Schlafstörungen und ein Sechstel Nervosität und Zerfahrenheit. Ein Zehntel der Beschäftigten gibt an, unter Angst- und Beunruhigungszuständen zu leiden.
Burn-out
Dass es bei einzelnen Belastungen oft nicht bleibt, ist wenig verwunderlich. In Extremfällen kommt es zum Burn-out. 2022 gaben elf Prozent der Salzburger Beschäftigten an, selbst einmal darunter gelitten zu haben. Doch auch was die Perspektive der breiteren Bevölkerung angeht, besteht Grund zur Sorge. Über ein Drittel sieht es als sehr oder eher unwahrscheinlich an, so bis zur Pension weiterarbeiten zu können. Als Grund geben, an dritter Stelle, 38 Prozent die psychischen Belastungen in der Arbeit an. Daher steht neben dem Wunsch nach höherem Einkommen und einer Arbeitszeitverkürzung auch die Reduktion psychischer Belastungen ganz oben auf der Liste der möglichen Maßnahmen für einen Verbleib am Arbeitsplatz.
Psychische Belastungen sind also nicht das eigentliche Problem, sondern lediglich Symptome. Wie Fieber im Körper, spiegeln uns psychische Belastungen auch gesellschaftliche Missstände und Krisenerfahrungen. Der beliebte Satz „Du bist nicht allein“ bekommt so eine ganz neue Bedeutung – eine zynische. Er offenbart eine bittere Diagnose unserer krisenbelasteten Zeit. Er zeigt, dass wir gemeinsam unter gewissen Umständen leiden. Es sollte nie dabei bleiben, Betroffene mit diesem Satz beschwichtigen zu wollen. Denn eigentlich sollten Empörung und Wandel folgen.
Magazin Gesunde Arbeit 3/2023, Salzburg-Ausgabe