Fachkräftemangel: Ein selbst gemachtes Problem der Wirtschaft?
Der Begriff „Fachkräftemangel“ wird häufig von Arbeitgeber:innen als Schlagwort verwendet, doch was steckt wirklich dahinter? Ein erster Fachdialog in der AK Burgenland mit Expert:innen zeigt: Der Mangel ist in vielen Bereichen hausgemacht. Fehlende Lehrlingsausbildung, schlechte Arbeitsbedingungen und Widerstand gegen notwendige Reformen verschärfen dabei die Lage.
In den letzten Jahren ist der Begriff „Fachkräftemangel“ immer häufiger als Schlagwort verwendet worden – oft von Arbeitgeber:innen, die fehlendes Personal beklagen. Doch was steckt wirklich dahinter? Die Arbeiterkammer Burgenland will sich diesem Thema im kommenden Jahr mit einem umfangreichen Themenschwerpunkt widmen und aufzeigen, welche strukturellen Probleme zu einem tatsächlichen Fachkräftebedarf führen. Bereits jetzt haben Expert:innen aus dem Bildungs- und Arbeitsmarktbereich in einem Fachdialog darüber diskutiert. „Als Arbeitnehmer:innen dürfen wir nicht zulassen, dass die Diskussion allein darauf abzielt, billige Arbeitskräfte zu generieren“, betont AK-Präsident Gerhard Michalitsch. „Unser Fokus muss darauf liegen, in welchen gesellschaftlich wichtigen Bereichen mehr gute Arbeitsplätze gebraucht werden und wie wir jene Beschäftigten unterstützen können, deren Arbeitswelt sich durch technologische oder strukturelle Veränderungen grundlegend wandeln wird.“
Der Fachdialog offenbarte schnell, dass der Fachkräftebedarf zum großen Teil hausgemacht ist. Insbesondere im Bereich der Lehrlingsausbildung zeigen die Zahlen eine besorgniserregende Entwicklung: In den 1980er-Jahren befanden sich im Burgenland jährlich bis zu 5.280 Lehrlinge in Ausbildung – 2023 waren es nur noch 2.557. Viele Branchen, wie beispielsweise die Gastronomie, haben sich zunehmend auf billige Arbeitskräfte aus dem Ausland verlassen, was zusammen mit schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Bezahlung dazu geführt hat, dass diese Berufe für heimische Arbeitskräfte immer unattraktiver wurden. Ein weiteres Problem sei der Widerstand vieler Arbeitgeber:innen gegen dringend notwendige Arbeitszeitverkürzungen, so Michalitsch: „Gerade im Pflegebereich sehen wir, wie sich durch lange Arbeitszeiten und hohe Belastungen ein Viertel der Mitarbeiter:innen so ausgebrannt fühlt, dass sie den Beruf wechseln wollen.“
Die AK Burgenland plant, den Ursachen des Fachkräftebedarfs 2025 detailliert auf den Grund zu gehen. Denn die Fakten sind bereits klar: Die Belegschaft altert, die Zahl der Erwerbstätigen sinkt und viele Unternehmen ziehen sich aus der betrieblichen Aus- und Weiterbildung zurück. Hinzu kommen Herausforderungen durch die Digitalisierung und den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft. Für die AK Burgenland ist deutlich: Es braucht umfassende Konzepte, um diesen Problemen entgegenzuwirken und eine nachhaltige Zukunft für die Arbeitswelt zu sichern. „Wir werden im kommenden Jahr auf verschiedenen Ebenen daran arbeiten, Lösungen zu entwickeln, und uns für die Interessen der Arbeitnehmer:innen starkmachen“, so Michalitsch abschließend.
Magazin Gesunde Arbeit, Burgenland-Ausgabe 4/2024