In die Pedale treten für bessere Arbeitsbedingungen
Für Fahrradbot:innen oder auch „Rider der Plattformunternehmen“ herrschen nach wie vor schwierige und gefährliche Arbeitsbedingungen. Die von der Gewerkschaft vida geführten Kollektivvertragsverhandlungen mit Streikhandlungen und eine neue EU-Richtlinie sollen Verbesserungen bringen. Doch wie geht es in diesen turbulenten Zeiten jenen, die die schwierige und teilweise gefährliche Arbeit täglich ausführen? Foodora-Betriebsratsvorsitzender Winston Kelly und seine Vorgängerin Adele Siegl, inzwischen Expertin im ÖGB, geben Antwort auf diese Frage.
Winston Kelly: Mitunter die größte Herausforderung ist der Druck und der dadurch entstehende Stress für uns Rider. Wir liefern bei jedem Wetter, und die Erfahrung zeigt, je schlechter das Wetter, desto mehr Aufträge. Aber ab wann die Arbeit aufgrund des Wetterextrems unzumutbar wird, ist nirgends geregelt, und für uns Plattformarbeiter gilt: Wenn du den Job nicht annimmst, rutscht du im Ranking nach unten. Je weiter unten du bist, desto später hast du Zugriff auf den Schichtplan und auf die versprochene flexible Zeiteinteilung. So werden deine Arbeitszeiten schwieriger einteilbar und auch deine Verdienstmöglichkeiten werden schlechter. Dann kämpfst du dich bei starkem Regen, in einer von der Firma zur Verfügung gestellten Schutzkleidung mit wirklich schlechter Qualität, von einem Auftrag zum nächsten. Du wirst überwacht, wie schnell du jeden Auftrag ausführst, und musst ständig in Kontakt für den nächsten bleiben – ein Teufelskreis. Das ist eine enorme, andauernde Belastung.
Adele Siegl: Die prekären Arbeitsbedingungen sind ein großes Problem, Akkordlöhne sind eine Risikoquelle, der Kollektivvertrag muss umgesetzt werden. Hinzu kommen Existenzängste, ständige Unsicherheit bezüglich der Leistungsbeurteilung, Arbeitsantritt trotz Verletzungen und Krankheit und psychische Belastungen. Die neue EU-Richtlinie soll da „Feuer löschen“. Eine wichtige Bestimmung ist, die Scheinselbstständigkeit strukturell zu reduzieren – ein Arbeitsverhältnis ist ein Schlüssel zu mehr Sicherheit und Schutz in vielen Bereichen. Weitere, für die Praxis relevante Veränderungen betreffen den Datenschutz, algorithmisches Management, Kommunikationskanäle sowie die Bereitstellung von Information für die Plattformbeschäftigten und ihre Interessenvertretungen. Jetzt muss umgesetzt und an weiteren Verbesserungen auf nationaler Ebene sozialpartnerschaftlich gearbeitet werden, damit diese Art von ausbeuterischer Arbeit ein Ende findet.
Winston Kelly: Die auf der Straße ausgeführte Arbeit ist mit einem hohen Unfallrisiko und einer ständigen Lärm- und Abgasexposition verbunden. Oft sind die Lieferungen sehr schwer und der Rucksack bietet keine optimale Verteilung. Ein Erfahrungsaustausch unter Kolleg:innen ist fast nicht möglich, weder räumlich noch zeitlich. Du kannst Jahre hindurch so arbeiten, weil du jung, fit und motiviert bist, und merkst leider erst viel zu spät, wie krank dieser Job dich eigentlich physisch wie psychisch macht. Das muss sich ändern, denn die Gesundheit bekommt man dann nicht mehr zurück. Dafür kämpfen wir als Betriebsräte gemeinsam mit den Gewerkschaften weiter.
Riders Collective: https://www.riderscollective.at/
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 2/2024