Reinigungsbranche: Nicht alles ganz sauber?
Ob im Büro, in Hotels oder im Krankenhaus: Wir alle haben es gerne sauber. Aber wie geht es den Menschen, die oft unsichtbar hinter uns herräumen und reinigen? Leider nicht annähernd so gut, wie sie es verdienen würden. Obwohl Reinigungskräfte, die meist Migrant:innen sind, unverzichtbare Arbeit leisten, erfahren die Beschäftigten zu wenig Wertschätzung und Respekt.
Belastende ArbeitsbedingungenDie Arbeitsbedingungen sind extrem belastend und arbeitsrechtliche Verstöße keine Seltenheit. In der Regel werden Reinigungsdienste an Reinigungsfirmen ausgelagert – der Preisdruck in der Branche ist enorm und das führt wiederum zu sehr hohem Arbeitsdruck für die Beschäftigten.
- Offene Löhne, fehlende Lohnabrechnungen: Jede:r Zehnte hat überhaupt keinen Lohn erhalten, bei 18 Prozent wurde der Lohn nicht in der richtigen Höhe bezahlt. 15 Prozent haben gar keine Lohnabrechnung erhalten.
- Offene Mehr- und Überstunden, kurzfristige Dienste: Mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer:innen muss regelmäßig Mehr- und Überstunden leisten. Zusätzlich werden sie immer wieder kurzfristig zu Diensten eingeteilt (27 Prozent). Bezahlt bekommen sie aber nur einen Bruchteil von dem, was ihnen rechtlich zusteht oder überhaupt nichts: 31 Prozent haben keinerlei Bezahlung für Mehr- oder Überstunden erhalten, 24 Prozent haben die zustehenden Stunden nur teilweise bezahlt bekommen.
- Hoher Arbeitsdruck: Ein weiteres großes Problem ist der sehr hohe Arbeitsdruck, in der vorgegebenen Zeit die Reinigungsarbeiten zu erledigen. So werden die Arbeitnehmer:innen beispielsweise nach Anzahl der gereinigten Zimmer abgerechnet oder es wird eine sehr knapp bemessene Anzahl der gereinigten Zimmer abgerechnet oder es wird eine sehr knapp bemessene Anzahl an Stunden vorgegeben, in der die Arbeit erledigt sein muss. Geht sich das nicht aus, werden trotzdem nur die vorgegebenen Stunden bezahlt.Die Reinigungsunternehmen wälzen damit das wirtschaftliche Risiko und den Druck der Auftraggeber:innen auf die Arbeitnehmer:innen ab, was rechtlich unzulässig ist. Zusätzlich sind viele Beschäftigte von geteilten Diensten betroffen. Oftmals wird die Wegzeit von einem Einsatzort zum nächsten nicht als Arbeitszeit verrechnet.
- Kündigung im Krankenstand: Leider kommt es häufig vor, dass Arbeitnehmer:innen im Krankenstand gekündigt werden: Jede:r Vierte hat seinen Job aus diesem Grund verloren.
Fallbeispiele
Jasmina Z. (Name geändert) arbeitete als Reinigungskraft an verschiedenen Arbeitsstellen im Handel und musste mehrmals täglich von einem zum nächsten Dienstort fahren – zahlreiche Überstunden inklusive. Sie erhielt während der ganzen Zeit für keine einzige Überstunde ihren Überstundenzuschlag. Die Lohnverrechnung des Arbeitgebers teilte der AK mit, dass sie bisher auch die Sonderzahlungen immer falsch (also zu gering) berechnet hatte.
Die AK Wien intervenierte und erhielt daraufhin ein Angebot des Arbeitgebers zu einer Nachzahlung, die noch immer zu wenig war. Aber die AK blieb dran und Jasmin Z. erhielt letztlich 3000 Euro.
Kündigung einer Arbeitnehmerin nach Krebserkrankung
Besna F. (Name geändert) war sieben Jahre lang als Reinigungskraft für 20 Stunden pro Woche bei einer Firma beschäftigt. Aufgrund einer unheilbaren Krebserkrankung musste sie in Krankenstand gehen und wurde prompt gekündigt. Sie wandte sich an die AK Arbeitsrechtsberatung, weil sie vermutete, dass sie bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu wenig Geld bekommen hätte. Besna F. gehört allerdings zum Kreis der begünstigt behinderten Menschen. Im Laufe der Beratung stellte sich dann heraus, dass der Arbeitgeber sie gekündigt hatte, ohne zuvor die Zustimmung des Sozialministeriumsservice einzuholen.
Mit Hilfe der AK wurde Schadenersatz geltend gemacht und die Arbeitnehmerin bekam schließlich 8.660 Euro brutto bezahlt.
„Hotel des Schreckens“
Zuzanna M. (Name geändert) reinigte ein Jahr Hotelzimmer und arbeitete 25 Stunden in der Woche. Auch ihr wurden in der ganzen Zeit keine Mehr- und Überstunden ausgezahlt. Zuzanna M. hatte auch Beweise für diese Mehrleistungen, etwa aus einer WhatsApp-Gruppe mit Arbeitsaufträgen oder Dienstplänen nach Zimmeranzahl. Die Arbeitgeberin übermittelte aber Dienstpläne (ohne Angabe von konkreten Arbeitszeiten und ohne Unterschrift), die stark von diesen Arbeitszeitaufzeichnungen abwichen.
Der Arbeitsalltag war durch massiven Druck geprägt - die Anzahl an Hotelzimmern, die gereinigt werden mussten, war viel zu hoch, es musste praktisch im Akkord geschuftet werden. Glücklicherweise führte Zusanna M. selbst Arbeitszeitaufzeichnungen und konnte alles vorlegen.
Mit Hilfe der AK werden nun Mehrleistungen in der Höhe von rund 5000 Euro sowie Differenzen bei den Sonderzahlungen und der Urlaubsersatzleitung in der Höhe von rund 1600 Euro für die Arbeitnehmerin eingeklagt.
Kümmern sich Geschäftsführer lieber um ihre Luxusautos?
Zwei Reinigungskräften wurden weder Mehrstunden noch Zuschläge gezahlt. Zudem waren zwei Monate Lohn und die Sonderzahlungen offen. Die beiden Geschäftsführer waren nach der Beendigung der Arbeitsverhältnisse nicht mehr erreichbar- weder für die Arbeitnehmer:innen noch für die AK. Die Arbeitnehmer:innen zeigten in der Rechtsberatung Fotos der Geschäftsführer mit ihren Luxusautos und äußerten den Verdacht, dass die beiden Geschäftsführer keine Zeit hätten, weil sie sich um ihren Maserati und Ferrari kümmern müssten.
Die AK unterstütze die Arbeitnehmer:innen dabei, ihre Ansprüche vor Gericht einzuklagen. Einen Monat nachdem die Klage eingebracht wurde, war die Firma insolvent. Mithilfe der AK bekamen die beiden schließlich ihr Geld vom Insolvenz-Entgelt-Fonds.
Unsere Forderungen
- Zusätzliche Erholungsmöglichkeiten: Die Erfahrungen von AK und vida zeigen, dass Belastungen und Arbeitsverdichtung in der Reinigungsbranche zugenommen haben. Die Kolleg:innen haben ein Recht auf mehr planbare Erholung, etwa durch die leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche. Außerdem sollen Dienstpläne auch eingehalten und nicht ständig kurzfristig geändert werden!
- Wertschätzung und höhere Löhne: Die Kolleg:innen klagen verstärkt über zu wenig Anerkennung und Wertschätzung. In diesem Zusammenhang wird oft die Bezahlung genannt. Egal was man kann oder wie lange man schon im Unternehmen ist - man bekommt vom ersten bis zum letzten Tag keinen Cent mehr! Deshalb brauchen wir ein neues Lohnschema, welches sich nicht nach der Örtlichkeit richtet.Bereits 2021 wurde vereinbart, dass das Lohnschema an die heutigen Aufträge bzw. Herausforderungen und an das Fachwissen und die Ausbildung der Mitarbeiter:innen angepasst werden soll. Diese Forderung wird die Gewerkschaft vida in die Kollektivvertragsverhandlungen einbringen. Weiterhin aufrecht ist auch die Forderung nach einem Mindestlohn von 2.000 Euro.
- Moderne Arbeitszeiten – gesunde Vollzeit: Der Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung ist auch unter den Vollzeitbeschäftigten der Reinigungsbranche sehr ausgeprägt. Die Kolleg:innen in Teilzeit hingegen, äußern oft den Wunsch nach mehr Stunden. Hier wären die Unternehmen gefordert, auf die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen Rücksicht zu nehmen. Wir fordern deshalb eine gesunde Vollzeit, die den Anliegen der Arbeitnehmer:innen und einer modernen Arbeitswelt gerecht wird. Studien bestätigen, dass das Stundenausmaß einer gesunden Vollzeit zwischen 30 und 35 Wochenstunden liegt. Gleichzeitig müssen die 2018 beschlossenen Regelungen zum 12-Stunden-Tag zurückgenommen werden.
- Tagesarbeitszeiten statt ewig langer Arbeitstage mit zerrissenen Diensten: Dreh- und Angelpunkt für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Lebensqualität von Beschäftigten in der Reinigungsbranche sind reguläre Tagesarbeitszeiten statt geteilter Dienste in der Früh oder am Abend, die in der Reinigung weit verbreitet sind. Das bringt Vorteile für alle Beteiligten: Bessere Abstimmung durch direkten Kontakt, weniger Fluktuation, zufriedenere Mitarbeiter:innen, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Chancen auf mehr Einkommen für die Beschäftigten.
- Kündigungsschutz im Krankenstand: Kündigung im Krankenstand soll als verbotenes Motiv angefochten werden können.
- Mehrarbeitszuschlag: Der Mehrarbeitszuschlag im Arbeitszeitgesetz soll auf 50 Prozent erhöht und ab der ersten Stunde gezahlt werden (Entfall des zuschlagsfreien dreimonatigen Zeitraums).
- Sanktion bei Nichtausstellung eines Dienstzettels: Der Dienstzettel ist eine wichtige Informationsquelle für Arbeitnehmer:innen. Nach jetziger Rechtslage hat es aber keine Konsequenzen, wenn der Dienstzettel nicht ausgestellt wird. Die Möglichkeit, den Dienstzettel vor Gericht einzuklagen, ist zu wenig. Die Arbeitnehmer:innen trauen sich oft aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes nicht, ihre Ansprüche im aufrechten Arbeitsverhältnis einzuklagen. In Zukunft soll es daher wirksame Sanktionen geben, wenn kein Dienstzettel ausgestellt wird. Das fordert auch eine EU-Richtlinie - aber die Regierung ist seit mehr als einem Jahr bei der Umsetzung säumig.2021 wurden das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz aufgeweicht und die Strafen reduziert. Lohn- und Sozialdumping ist damit für Arbeitgeber leichter und billiger geworden. Die AK fordert, dass die gesetzlichen Regelungen wieder verschärft werden.
- Anmeldung bei der Sozialversicherung: Bis 2019 musste bei der Anmeldung zur Sozialversicherung bzw. bei einer Änderung des Arbeitszeitausmaßes nicht nur das Gehalt, sondern auch das vereinbarte wöchentliche Stundenausmaß gemeldet werden. Aus Sicht der AK sollte diese Regelung wieder verpflichtend sein.
- Kein Verfall von Ansprüchen während des laufenden Arbeitsverhältnisses: Die Möglichkeit, Verfallsfristen zu vereinbaren, bewirkt, dass Überstunden oft nicht mehr geltend gemacht werden können. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer:innen ihre Überstunden praktisch nicht einklagen, da sie zu sehr unter Druck stehen.