Räumen wir Barrieren weg
Damit Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt die gleichen Chancen und Rechte haben wie jene ohne Behinderung, braucht es vor allem Rücksichtnahme auf die individuellen Bedürfnisse und eine spezielle Arbeitsplatzevaluierung zur Schaffung sicherer und gesunder Arbeitsplätze.
Menschen mit Behinderung stehen die gleichen Chancen und Rechte zu wie Menschen ohne Behinderung – das gilt im Alltagsleben ebenso wie in der Arbeitswelt. Was dabei oft vergessen wird: Es handelt sich hierbei keinesfalls um eine Randgruppe. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz weist darauf hin, dass laut statistischen Erhebungen über 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sich selbst im weitesten Sinne als behindert bezeichnen. Doch was genau versteht man eigentlich unter Behinderung? Wie funktioniert eine erfolgreiche Inklusion im Arbeitsleben und welche gesetzlichen Maßnahmen gibt es gegen die Diskriminierung von Personen mit Behinderung?
Behinderung ist nicht gleich Behinderung
In Österreich weisen rund 1,3 Millionen Menschen eine Behinderung auf. Dabei handelt es sich gleichermaßen um Frauen und Männer, die entweder von Geburt an behindert sind oder im Laufe ihres Lebens durch chronische Erkrankungen oder Unfälle eine Behinderung erworben haben. Doch Behinderung ist nicht gleich Behinderung: So verschieden die Ursachen einer Behinderung sein können, so unterschiedlich sind auch ihre Auswirkungen. So gibt es Behinderungsformen, die für jeden sichtbar sind – beispielsweise wenn eine Person im Rollstuhl sitzt. Die meisten Behinderungen sind jedoch nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Zu den unsichtbaren Behinderungsformen zählen beispielsweise Organerkrankungen, Erkrankungen am Bewegungsapparat, Krebserkrankungen oder insulinpflichtiger Diabetes. All diese Beispiele zählen zu den körperlichen Behinderungen, ebenso wie Sinneseinschränkungen in Form einer Seh- oder Hörbehinderung. Darüber hinaus gibt es noch kognitive Behinderungen.
Wenn man von Menschen mit Behinderung spricht, handelt es sich also nicht um eine homogene Gruppe von Menschen mit exakt denselben Einschränkungen, sondern vielmehr um individuell ganz unterschiedliche Einzelsituationen.
Gesetzliche Grundlagen
Grundsätzlich regeln das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) und das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Stellung der Arbeitnehmer:innen mit Behinderung im Betrieb. Diese zwei Gesetze sind zentral für die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt. Dabei gilt: Alle Arbeitnehmer:innen, die eine Behinderung haben, können gegen eine Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung vorgehen. Denn Diskriminierungen im Arbeitsleben (bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, bei Aus- und Weiterbildungen, beim beruflichen Aufstieg oder bei Kündigung aufgrund einer Behinderung) sind nach dem BEinstG verboten.
Zudem regelt das BEinstG, dass alle Arbeitgeber:innen, die 25 oder mehr Arbeitnehmer:innen beschäftigen, auf je 25 Arbeitnehmer:innen mindestens eine begünstigte behinderte Arbeitnehmerin oder einen begünstigten behinderten Arbeitnehmer aufnehmen müssen. Von begünstigten behinderten Personen spricht man in diesem Zusammenhang, wenn nachweislich mit Feststellungsbescheid eine Behinderung im Ausmaß von 50 Prozent vorliegt. Kommen Arbeitgeber:innen dieser Einstellungspflicht nicht nach, haben sie eine entsprechende Ausgleichstaxe in Höhe von 292 Euro oder mehr pro Person, die zu beschäftigen wäre, zu zahlen (Stand seit 1.1.2023).
Spezielle Evaluierung
Worauf ist im Betrieb zu achten, wenn Arbeitnehmer:innen mit Behinderung beschäftigt werden? Laut ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) gelten Menschen mit Behinderung als besonders schutzbedürftige Personen. § 6 ASchG regelt den Einsatz der Arbeitnehmer:innen, wobei vor allem die Konstitution, die Körperkräfte und die gesundheitliche Verfassung zu berücksichtigen sind. Arbeitsstätten sind gegebenenfalls behindertengerecht zu gestalten. Betriebe müssen bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung konkret ermitteln, was dafür erforderlich ist. Denn so unterschiedlich Behinderungen sein können, so unterschiedlich sind auch die nötigen Maßnahmen, um einen gesunden und sicheren Arbeitsplatz zu gestalten. Nur durch eine individuelle und gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsplatzevaluierung kann die Arbeitsrealität der Arbeitnehmer:innen mit Behinderung sichtbar gemacht und die Arbeit in einem weiteren Schritt so gestaltet werden, dass sie Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse nimmt. Auf Basis der Evaluierung sowie auch im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung und Einbeziehung der einzelnen Arbeitnehmer:innen können durch Maßnahmen in den Bereichen Ergonomie, Arbeitsgestaltung, Arbeitsassistenz und geeignete Hilfsmittel sichere und gesunde Arbeitsplätze für alle Arbeitnehmer:innen im Betrieb geschaffen werden.
Behindertenvertrauenspersonen
Um die betriebliche Mitbestimmung von Arbeitnehmer:innen mit Behinderung im Betrieb zu gewährleisten, spielt die Behindertenvertretung eine wichtige Rolle. In jedem Betrieb, in dem dauernd mindestens fünf begünstigte Behinderte beschäftigt sind, ist grundsätzlich eine Behindertenvertrauensperson (BVP) zu wählen. Behindertenvertrauenspersonen müssen begünstigte Behinderte sein. Diese Behindertenvertrauensperson nimmt die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer:innen mit Behinderung im Betrieb wahr und arbeitet hierfür eng mit dem Betriebsrat zusammen. Behindertenvertrauenspersonen sind dazu berufen,
- für die Einhaltung der Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes zu sorgen,
- auf die besonderen Bedürfnisse der Arbeitnehmer:innen mit Behinderung hinzuweisen,
- wahrgenommene Mängel dem Betriebsrat und dem/der Arbeitgeber:in mitzuteilen,
- Vorschläge für die Beschäftigten einzubringen und
- an den Sitzungen des Betriebsrates beratend teilzunehmen.
Inklusion im Arbeitsleben
Menschen mit Behinderungen sollen in der Arbeitswelt die gleichen Chancen und Rechte haben wie Menschen ohne Behinderungen – dafür treten Arbeiterkammer und ÖGB ein. Um dies zu erreichen, setzen sich Menschen in den unterschiedlichsten Organisationen (siehe Tabelle) tagtäglich für die Interessen und Rechte von Personen mit Behinderungen ein. So auch Patrick Berger, Leiter des Chancen Nutzen Büros des ÖGB. „Ich will die Arbeitswelt, aber auch die Gesellschaft stärker sensibilisieren“, formuliert er sein Ziel. „Mein größter Wunsch wäre es, dass Inklusion nichts Besonderes mehr ist und zur Selbstverständlichkeit wird.“
Wichtige Organisationen
Organisation
Kurzbeschreibung/Ziele
Angebote
ÖZIV – Bundesverband für Menschen mit Behinderungen
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ÖBR – Österreichischer Behindertenrat |
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Behinderten-anwaltschaft |
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ÖGB Chancen Nutzen Büro |
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Sozial- ministerium-service |
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NEBA – Netzwerk Berufliche Assistenz |
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Magazin Gesunde Arbeit 1/2023