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Arbeit verdient Respekt

Viele Herausforderungen erwarten Renate Anderl als Präsidentin. Einiges hat sie bereits tatkräftig umgesetzt. Für die Zukunft ist beispielsweise die Digitalisierungsoffensive oder der Ausbau der Beratungsangebote geplant. Der nächste große Meilenstein ist die AK-Wahl im Frühjahr 2019.

Michael Mazohl

Du bist seit sechs Monaten AK-Präsidentin. Dir gelang mit der Initiative „Wie soll Arbeit?“ gleich ein starker Start. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Renate Anderl: Bevor ich zu den Ergebnissen komme, ist es mir wichtig, mich zu bedanken: für mehr als eine Million Dialoge, für die Bereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mit uns in Kontakt zu treten, und bei allen, die mitgeholfen haben. Auf Basis der Ergebnisse wurde ein Zukunftsprogramm ausgearbeitet, das den AK-Mitgliedern noch mehr Leistungen fürs gleiche Geld bietet.

Herzstück des Programms ist eine Digitalisierungsoffensive für ArbeitnehmerInnen. Außerdem will die AK das Beratungsangebot im Bereich Datenschutz und Internet-Betrügereien ausbauen.
Zusätzlich sollen die Leistungen in den drei Schlüsselbereichen Bildung, Pflege und Wohnen deutlich verstärkt werden. Ich muss allerdings ergänzen, dass diese Ausweitung unseres Serviceangebotes nur möglich ist, wenn die Kammerumlage so bleibt, wie sie ist.

Die überfallsartig beschlossene Arbeitszeitverlängerung mit dem 12-Stunden-Arbeitstag katapultiert uns ins 19. Jahrhundert zurück. Leben und Gesundheit bleiben auf der Strecke. Wie geht die AK nun damit um?

Renate Anderl: Wir befürchten schon, dass es zu Verschlechterungen für die Beschäftigten kommen wird. Es wird zwar von Arbeitgeberseite immer wieder betont, dass ganz bestimmt niemand das neue Gesetz ausnützen wird, aber das ist eher graue Theorie. Wir hatten bereits vor dem 1. September zahlreiche Fälle in der Beratung – teilweise mit haarsträubenden Arbeitszeitvereinbarungen. In mehreren E-Mails haben mir ArbeitnehmerInnen berichtet, dass ihre Chefs keine Zeit verloren haben, um zu erklären, dass jetzt 12 Stunden gearbeitet werden muss und dass jeder, dem das nicht passt, gerne gehen kann. Es gab auch Fälle, wo Vorgesetzte ganz offen gesagt haben, dass sie jetzt ein paar MitarbeiterInnen kündigen können, weil der Rest der Belegschaft länger arbeiten wird. Vieles deutet darauf hin, dass der Druck auf die Beschäftigten insgesamt steigen wird. Unklar ist außerdem, wie es mit den bestehenden Betriebsvereinbarungen aussehen wird. Hier werden auch auf die Betriebsräte schwere Zeiten zukommen, da viele Unternehmer es als „Wettbewerbsnachteil“ betrachten, wenn es einen Betriebsrat gibt, der auf die Einhaltung gesetzlicher Regelungen pocht. Ich kann an ArbeitnehmerInnen wirklich nur appellieren, sich in der Arbeiterkammer beraten zu lassen und keine Vereinbarungen ohne Rücksprache zu unterschreiben. Wir werden alle Fälle sehr sorgfältig dokumentieren und die Regierung wissen lassen, was ihr Gesetz in der Praxis für Auswirkungen hat.

Die vorbildlich arbeitende AUVA sollte zerschlagen werden. Die Regierung fuhrwerkt in der selbstverwaltenden Sozialversicherung herum. Siehst du das als Anschlag auf unsere Gesundheit?

Renate Anderl: Für mich ist eines klar: Eine Strukturreform nur um der Reform willen ist unsinnig. Ich halte es für entscheidend, dass die Versicherten die bestmögliche Gesundheitsversorgung erhalten. Im Fall der AUVA steht zu befürchten, dass die Arbeitgeber, die ihre Beiträge zur Unfallversicherung offenbar nicht mehr leisten wollen, sich aus ihrer Verantwortung stehlen. Es ist noch immer völlig unklar, wie die 135 Millionen Euro, die eingespart werden sollen, gegenfinanziert werden, ohne dass es zu Leistungskürzungen kommt. Da liegt halt der Verdacht nahe, dass hier Kosten auf die Allgemeinheit der Beschäftigten abgewälzt werden sollen. Ein großes Anliegen war mir auch die Absicherung der Beschäftigten in der AUVA, hier konnten allerdings von den Gewerkschaften wesentliche Zugeständnisse erkämpft werden.

Michael Mazohl

Beginnende Personalnot in der Arbeitsinspektion, zahnloses „Beraten vor Strafen“ statt „wirksame Sanktionen“, wie das EU und ILO uns vorschreiben: Wie soll da die Arbeitsinspektion die Arbeitsbedingungen wirksam überwachen?

Renate Anderl: Wenn gegen den Personalmangel in diesem Bereich nichts unternommen wird, wird es tatsächlich schwierig. Aus meiner Sicht muss die Arbeitsinspektion weiterhin ihre Kontroll- und Beratungstätigkeit vollumfänglich wahrnehmen können. Hier geht es immerhin um den Schutz und die Sicherheit von arbeitenden Menschen. Die Zusammenlegung von Aufsichtsbezirken sollte nicht zum schleichenden Abbau des Personalstandes führen. Eigentlich bräuchte die Arbeitsinspektion eine Aufstockung des Personals um etwa das 7-Fache, um ihren Auftrag professionell erfüllen zu können. Ich schließe mich hier einer Empfehlung des Rechnungshofes an, das aktuelle Überprüfungsintervall zu verkürzen und die Reichweite der Arbeitsinspektion zu erhöhen.

Die AK-Wahl steht im Frühjahr 2019 an. Was sind deine Erwartungen? Was wünschst du dir für das kommende Jahr 2019?

Renate Anderl: Ich hoffe natürlich auf eine hohe Wahlbeteiligung und dass ich möglichst viele WählerInnen davon überzeugen kann, dass mir die ArbeitnehmerInnen in diesem Land wirklich wichtig sind und ich dafür eintrete, dass sie den Respekt und die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen. Ich erwarte außerdem weitere Angriffe auf die Beschäftigten, den Sozialstaat und auch auf die AK seitens der Regierung. Hier werde ich gemeinsam mit den Gewerkschaften entschieden dafür eintreten, dass die ArbeitnehmerInnen nicht weiter belastet werden. Und natürlich werde ich weiterhin mit aller Kraft für eine starke Interessenvertretung von fast vier Millionen Menschen kämpfen und damit für eine starke AK.

Wir danken für das Gespräch!
Interview: Hildegard Weinke, AK Wien

Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 4/2018