Krebserzeugende Stoffe am Arbeitsplatz – noch immer eine oft unterschätzte Gefahr
Jährlich sterben in Österreich rund 1.800 Menschen an arbeitsbedingtem Krebs. Doch der Schutz vor krebserzeugenden Stoffen in der Arbeitswelt bleibt unzureichend.
Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Europa, und arbeitsbedingte Krebserkrankungen tragen maßgeblich dazu bei. Laut einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (ETUI) sterben in der EU jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen an den Folgen ihrer beruflichen Exposition gegenüber krebserzeugenden Stoffen. In Österreich sterben laut EU CAREX-Datenbank jährlich rund 1.800 Menschen an arbeitsbedingtem Krebs. Dabei wären viele dieser Erkrankungen verhinderbar. ÖGB-Gesundheitsexpertin Claudia Neumayer-Stickler erklärt, worauf es ankommt.
Welche Gefahrenstoffe gibt es am Arbeitsplatz?
Hauptursachen für arbeitsbedingten Krebs sind chemische Schadstoffe wie Asbest, Dieselabgase, Holzstaub oder Chrom. Obwohl Asbest in Österreich schon seit 1990 verboten ist, bleibt es bei Sanierungsarbeiten alter Gebäude immer noch ein Risiko. Auch andere Stoffe, die in Dienstleistungs- und Industrieberufen vorkommen, sind gefährlich und erfordern dringend mehr Bewusstsein und moderne Schutzmaßnahmen.
Dürfen Arbeitgeber:innen von einer Krebserkrankung erfahren?
Grundsätzlich besteht keine Pflicht, die Krebserkrankung offenzulegen. Nur die Art der Dienstverhinderung (z. B. Krankheit, Reha) ist zu nennen. In Schlüsselpositionen kann jedoch ein offenes Gespräch sinnvoll sein, um eine Vertretung zu organisieren.
Alternativ bietet sich ein vertrauliches Gespräch mit dem Betriebsrat an. Bei gesundheitlicher Gefährdung durch die Arbeit muss dies gemeldet werden, damit der Arbeitgeber eine geeignete Tätigkeit anbieten kann.
Ist arbeiten mit Krebs möglich?
Dank moderner Therapien leben viele Krebspatient:innen länger. Berufliche Unsicherheiten treten jedoch oft in den Vordergrund: Wie viel Arbeit ist trotz Krankheit möglich? Letztlich ist das eine medizinische Entscheidung der behandelnden Ärztinnen und Ärzte und einzelfallabhängig. Die Einführung der Wiedereingliederungsteilzeit ermöglicht einen sanften Übergang zurück in den Beruf. Sie bietet Betroffenen die Chance, in reduziertem Umfang zu arbeiten, ohne sich zu überfordern.
Bekommt man weiterhin bezahlt, wenn man krankgeschrieben ist?
Im Krankenstand wird je nach Betriebszugehörigkeit das Gehalt mindestens sechs Wochen lang weiterbezahlt. Nach dieser Phase leistet die Gesundheitskasse Krankengeld, das abhängig vom Einkommen bemessen wird. Die maximale Bezugsdauer beträgt in der Regel 52 Wochen, in Sonderfällen bis zu 78 Wochen.
Ist eine Kündigung im Krankenstand möglich?
Eine Kündigung ist auch während des Krankenstands möglich, es sei denn, der Kollektivvertrag, die Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag verbieten dies. Bei Krebserkrankungen könnte die Kündigung anfechtbar sein, da hier ein Diskriminierungsverbot gilt. Betroffene sollten rasch die Gewerkschaft oder Arbeiterkammer kontaktieren, da kurze Fristen gelten.
Hat man ein Recht auf Pflegekarenz oder -teilzeit, wenn man Angehörige(r) ist?
Arbeitnehmer:innen können für schwer erkrankte Angehörige (ab Pflegestufe 3, bei Minderjährigen ab Stufe 1) Pflegekarenz oder -teilzeit beantragen. Ein Rechtsanspruch besteht für bis zu vier Wochen, erweiterbar auf sechs Monate per Vereinbarung. Das Pflegekarenzgeld beträgt 55 Prozent des Nettoeinkommens.
Wie stellt sich die Situation von Frauen dar?
Frauen sind im Berufskrankheitengeschehen stark unterrepräsentiert, da die Rechtslage vor allem auf männerdominierte Branchen zugeschnitten ist. Gesundheitsrisiken in Dienstleistungsberufen oder durch arbeitsorganisatorische Faktoren wie Nachtarbeit werden häufig nicht berücksichtigt. Dies erschwert die Anerkennung von Krankheiten wie Brustkrebs als Berufskrankheiten und macht sie besonders betroffen.
Wie gut sind Betriebe in der Prävention aufgestellt?
Kontrollen zeigen erhebliche Defizite: Viele Betriebe können die Exposition gegenüber gefährlichen Stoffen nicht nachweisen oder führen keine Verzeichnisse. Zudem wurden gesetzliche Grenzwerte seit Jahrzehnten nicht überarbeitet. Arbeitsbedingter Krebs ist vermeidbar. Doch dafür braucht es modernisierte Gesetze, strengere Kontrollen und eine gendergerechte Ausrichtung der Präventionsmaßnahmen.
Forderungen des ÖGB:
- Risikobasierte Grenzwerte statt veralteter Richtkonzentrationen.
- Mehr Ressourcen für die Arbeitsinspektion.
- Erneute Aktualisierung der Berufskrankheitenliste, die auch frauenspezifische Risiken stärker abbilden.
- Maßnahmen zur Stärkung der betrieblichen Prävention.
- Gendermedizinischer Fokus in der Arbeitsmedizin.
- Einrichtung eines Sachverständigenbeirats zur regelmäßigen Überprüfung der Berufskrankheitenliste.
Presseaussendung des ÖGB