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Gewalt am Arbeitsplatz

Ob Pflegekräfte, Bankangestellte, Öffi-Fahrer:innen, Verkäufer:innen oder in anderen Berufen Beschäftigte – Gewalt am Arbeitsplatz kann jede:n von uns treffen. Steigende Belastungen, wie knappe Zeit- und Personalressourcen, Kommunikationsmangel und Wettbewerbsdruck führen zu einer Zunahme des Konfliktpotenzials – die Tendenz, dass Gewalt im Betrieb zum Thema wird, steigt.

Allein in Österreich waren 2020 rund 177.000 Erwerbstätige von Gewalt bedroht bzw. betroffen – das sind etwa 4,1 % Prozent aller Erwerbstätigen. Frauen machten hierbei etwa 1,4-mal so häufig Gewalterfahrungen wie Männer. Gewalt oder die Androhung von Gewalt bezog sich dabei auf körperliche Gewalt, die von einer anderen Person oder Gruppe ausgeübt wurde, und die körperliches, sexuelles oder psychisches Leid zu Folge hatte. Rund 138.000 Personen waren durch Mobbing belastet, das waren 3,2  % der erwerbstätigen Bevölkerung; Frauen waren 1,7-mal häufiger betroffen als Männer (Statistik Austria, 2022). Die Prävalenzstudie „Geschlechterspezifische Gewalt gegen Frauen in Österreich“ zeigt: Fast 27 % aller in Österreich zumindest einmal in ihrem Leben erwerbstätig gewesenen Frauen haben sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren (Statistik Austria, 2022).

Angriff auf Würde und Integrität

Gewalt ist immer ein Angriff auf die Würde und Gesundheit eines Menschen. Gewalt bedeutet viel Leid für die betroffenen Personen und hinterlässt oft tiefe Narben. Neben möglichen körperlichen Verletzungen sind die Konsequenzen für die Psyche nicht zu unterschätzen: Angst oder Panik, Schlafstörungen, Muskelzittern, Schweißausbrüche, sich immer wieder aufdrängende Erinnerungen u.v.m. können als Konsequenz von Gewalterfahrungen auftreten. Auch Depressionen, Angststörungen, Suchtprobleme oder eine posttraumatische Belastungsstörung etc. stellen mögliche Folgen dar.

Darüber hinaus sind jedoch auch die Konsequenzen für den Betrieb, in dem Gewalt und Belästigung auftreten, beträchtlich: Sinkende MitarbeiterInnenzufriedenheit, verminderte Motivation und Leistungsfähigkeit, vermehrte Krankenstände und erhöhte Personalkosten, Loyalitätsverlust, Verminderung der Produktivität, Imageverlust oder sogar Schadenersatzforderungen sind hier beispielsweise anzuführen.

Prävention als Schlüssel zur Vermeidung von Gewalt im Betrieb

Patentrezepte gegen Gewalt am Arbeitsplatz gibt es leider nicht. Gewalt am Arbeitsplatz kann aber zumindest weitgehend verhindert oder frühzeitig erkannt werden. Voraussetzung hierfür bilden betriebliche Sensibilität und Aufmerksamkeit dem Thema gegenüber sowie gezielte präventive Maßnahmen.  Eine gute Organisation des Arbeitnehmer:innenschutzes bildet hierbei die Grundlage. Auch hier gilt: Bei einer Gewaltgefahr am Arbeitsplatz sind vom/von der Arbeitgeber:in wirksame Schutzmaßnahmen für die Beschäftigen zu setzen.

Hier kann etwa architektonisch viel bewirkt werden – ein gut gestaltetes Arbeitsumfeld wirkt gewaltpräventiv. Nicht umsonst sieht die Arbeitsstättenverordnung z. B. ausreichend große Räume, Vorgaben zu Lichtverhältnissen oder Sichtverbindungen ins Freie in den Arbeitsstätten vor.

Aber auch ein gute Unternehmenskultur ist wichtig: Ein menschliches Unternehmensleitbild (das auch gelebt wird!), ein offenes, wertschätzendes Betriebsklima sowie klare Verantwortlichkeiten und ehrliche Kommunikation gehören hierzu ebenso, wie ein deutliches Bekenntnis des Betriebes zur Gewaltfreiheit oder etwa die Vermeidung von Allein-Arbeit.

Regelmäßige Teambesprechungen und sowie Schulungsangebote bezogen auf Konfliktbewältigung, Kommunikation, Deeskalation oder Beschwerdemanagement für Beschäftigte aller hierarchischen Ebenen tragen zur Prävention, aber auch zur Entlastung und Enttabuisierung, bei.

Wichtig: Die Maßnahmen müssen sich auf den individuellen Arbeitsplatz beziehen.

Und wenn Gewalt am Arbeitsplatz passiert?

Wesentlich ist auch, dass die Arbeitnehmer:innen wissen, was bei einem konkreten Anlassfall zu tun ist: Welche konkreten Schritte muss ich setzen? Wer ist mein/e Ansprechpartner:in? In vielen Betrieben stehen mittlerweile auch speziell geschulte Kontaktpersonen (z. B. Konfliktlots:innen, Mobbingbeauftragte) oder auch Arbeits- und Organisationspsycholog:innen zur Verfügung. 

Die Enttabuisierung des Themas „Gewalt am Arbeitsplatz“ ist ebenso wichtig: Darüber reden können und „im Notfall“ hinzuschauen, einzugreifen, Hilfe/Unterstützung zu holen, Information weiterzugeben bzw. den Vorfall zu dokumentieren sollte für uns alle selbstverständlich sein. Für Führungskräfte ebenso wie für Arbeitnehmer:innen. Wer Zeuge:in von Gewalthandlungen wird, sollte andere Beobachter:innen gezielt ansprechen („Was meinst du dazu?“) bzw. um Unterstützung ersuchen und den Betroffenen deutlich Solidarität anzeigen. Aktiv handeln, statt passiv zusehen!

Fakt ist: Treten Gewalthandlungen im Betrieb auf, sind Arbeitgeber:innen gefordert im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Fürsorgepflicht unmittelbar und wirksam einzuschreiten!

Betriebsrät:innen und SVP können – sowohl bei der Prävention als auch im Anlassfall – viel beitragen.  Betriebsrät:innen verfügen in Fragen des Arbeitnehmer:innenschutzes Überwachungs-, Interventions-, Beratungs- und Mitwirkungsrechte. Daher haben diese nicht nur im Hinblick auf Maßnahmen zur Gewaltprävention ein Mitspracherecht, sondern können von Betroffenen bei Bedarf auch zu schwierigen Gesprächen (z. B. mit Arbeitgeber:innen) hinzugezogen werden.  In Betriebsvereinbarungen können vorbeugende Maßnahmen aber auch eine konkrete Vorgangsweise bei Gewalt und Belästigung festgelegt werden. SVP sollten sich daher bei Fragen von Gewalt am Arbeitsplatz eng mit den Interessenvertreter:innen der Arbeitnehmer:innen vor Ort abstimmen und intensiv mit diesen zusammenarbeiten.