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Vietnam im Umbruch

Am Welttag für menschenwürdige Arbeit am 7. Oktober rückt ein zentrales Thema in den Fokus: die Arbeitsbedingungen von Millionen Menschen weltweit. Die Situation für viele Arbeitnehmer:innen ist noch immer sehr prekär – trotz wirtschaftlichem Aufschwung und Modernisierung. Der Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen ist allgegenwärtig und der internationale Schulterschluss der Arbeitnehmer:innenvertretung spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Hieu Duong Xuan beim Lehrgang „Global denken – global handeln“ in Linz solidar

Der Verein solidar Austria, der entwicklungspolitische Verein im Österreichischen Gewerkschaftsbund, hat Hieu Duong Xuan, einen Vertreter des vietnamesischen Gewerkschaftsbundes in Hanoi, nach Österreich eingeladen. Anlässlich des Welttages für menschenwürdige Arbeit hielt er Vorträge in Linz und Wien mit Fokus auf die Entwicklungen in Südostasien, relevante wirtschaftliche Zusammenhänge und über die globale gewerkschaftliche Zusammenarbeit.

Diskriminierung und Arbeitsdruck

Vietnam, bekannt für seine boomende Textilindustrie und als beliebtes Reiseziel, steht exemplarisch für die Herausforderungen, mit denen Arbeitnehmer:innen weltweit konfrontiert sind. Ein Großteil unserer Kleidung wird in Vietnam von internationalen Konzernen unter prekären Bedingungen hergestellt. Um die Produktivität zu steigern, werden gravierende Maßnahmen ergriffen: Arbeitnehmer:innen dürfen oft nicht einmal den Toilettengang antreten. Erzwungene Überstunden sind gängige Praxis, um Produktionsziele zu erreichen, und Diskriminierung aufgrund von Alter oder Schwangerschaft ist weit verbreitet. Die Defizite in Bezug auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsvorsorge sind enorm. Unzureichende Belüftung, unsichere Maschinen und mangelnde Schutzkleidung sind nur einige der Risiken, denen die Arbeitnehmer:innen ausgesetzt sind. Zudem fehlt es an angemessener Alters- und Krankenversorgung, was die Situation noch verschärft.
Die Gewerkschaften in Vietnam, in denen bereits 60 bis 70 Prozent der Textilarbeiter:innen organisiert sind, setzen sich unermüdlich für höhere Löhne mittels Kollektivvertragsabschlüssen und für bessere Arbeitsbedingungen ein. Doch der Weg ist lang und die Vereinbarungen werden nur betriebsintern, nicht jedoch branchendeckend abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund betonte Hieu Duong Xuan in seinem Vortrag die Notwendigkeit einer intensiveren globalen Zusammenarbeit der Gewerkschaften.

Weltweit ähnliche Probleme

Während Vietnam in den letzten Jahrzehnten einen beeindruckenden Wandel vom Agrar- zum Industrieland durchlaufen hat, bleibt der Arbeitsmarkt fragil. Naturkatastrophen wie das Hochwasser im Sommer 2024 verschärfen die Situation weiter. Die neuen Schwellenländer wehren sich zunehmend gegen Freihandelsverträge mit den USA und der EU, was zu stockenden Abkommen führt und einen intensiven Wettkampf zwischen Schwellen- und Industrieländern auslöst.
Anlässlich des Welttags der menschenwürdigen Arbeit steht fest: Nur internationale gewerkschaftliche Vernetzung und Zusammenarbeit stellen faire und sichere Arbeits- und Lebensbedingungen sicher.

Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 4/2024