Homosexualität am Arbeitsplatz
Bei schwul und lesbisch denkt man schnell „Minderheit“. Tatsächlich gibt es in Österreich aber bis zu 300.000 Beschäftigte, die in ihrer sexuellen Orientierung oder Identität von der „Norm“ abweichen. Wie es ihnen am Arbeitsplatz geht, wurde jetzt erstmals erhoben.
In einer aktuellen Studie von SORA im Auftrag der AK wurden Menschen befragt, die sich selbst als lesbisch, schwul, bisexuell, trans* (fühlt sich dem anderen Geschlecht zugehörig) und/oder inter* (hat körperlich Merkmale beider Geschlechter) bezeichnen. Zusammengefasst kurz: LSBTI.
Die Meinung, dass sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz keine Rolle spielt, ist weit verbreitet. Dabei wird übersehen, dass in vielen Betrieben sehr wohl die klassische Norm „Paar = Mann + Frau“ herrscht. Auch wenn das nicht direkt ausgesprochen wird, wird es über zahlreiche Alltäglichkeiten festgeschrieben, wie z. B. Erzählungen vom Wochenende mit der Familie, Bilder am Schreibtisch oder die automatische Unterstellung, Männer würden sich für Frauen und Frauen für Männer interessieren. Für LSBTI-Personen stellt sich damit stets aufs Neue die Frage, ob sie ihre „andere“ Orientierung bzw. ihre Geschlechtsidentität als trans* oder inter* offenlegen oder verheimlichen sollen.
Viele lösen das Problem mit Zurückhaltung. Vier von zehn Befragten geben ihre sexuelle Orientierung bzw. Identität am Arbeitsplatz zwar nicht von sich aus an, reden aber auf Nachfrage offen darüber. Rund ein Viertel ist offensiver und spricht in der Arbeit bewusst darüber. Alle anderen lassen ihre KollegInnen entweder im falschen Glauben oder halten ihre sexuelle Orientierung bzw. Identität komplett geheim.
Das ist nicht unbegründet, zeigt die Studie doch ein beträchtliches Ausmaß an negativen Erfahrungen. Rund die Hälfte hat schon Tuscheln bzw. böse Gerüchte in ihrem derzeitigen Betrieb erlebt, genauso wie unangenehme Witze und Lächerlich-Machen – ein Drittel sogar Ausgrenzung oder unsachgemäße Kritik an der Arbeit.
Ebenfalls fast ein Drittel hat schon einmal berufliche Benachteiligungen erfahren, darunter Schlechterstellung bei Beförderungen, Diensteinteilungen oder der Übertragung von Arbeitsaufgaben. Wenig überraschend ist die Situation für Trans*-Personen besonders schwierig – also Menschen, die sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen.
Das muss nicht sein: Immerhin 45 Prozent der LSBTI-Personen bewerten die Situation für sich an ihrer Arbeitsstätte als (sehr) positiv. Trotzdem finden es 70 Prozent zumindest manchmal belastend, am Arbeitsplatz nicht offen über ihre sexuelle Orientierung oder Identität sprechen zu können. Belastungen sind „Energiefresser“ und krankheitsfördernd. Offenheit und Toleranz im Betrieb sind daher ein wichtiger Beitrag zu gesunder Arbeit.