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Robotik und KI – Chancen und Risiken für Sicherheit und Gesundheit

Die Automatisierung von Aufgaben durch fortschrittliche Robotik und KI-basierte Technologien bedeutet einen Umbruch in der Arbeitswelt. Durch zunehmende Komplexität und Fähigkeiten der Technologie erweitert sich das Spektrum an Aufgaben, die automatisiert werden können. Dies hält viele Chancen, aber auch Risiken für die Arbeitsgestaltung und den Arbeitnehmer:innenschutz bereit.

Adobe Stock / StockPhotoPro

Repetitive, monotone, anstrengende und auch gefährliche Aufgaben können nun durch Maschinen ausgeführt werden, während der Mensch in die Rolle des Supervisors über die Technologie rückt oder sich kreativerer Arbeit widmet – so die Idealvorstellung. Jedoch bringt die zunehmende Automatisierung am Arbeitsplatz auch eine Vielzahl von Arbeits- und Gesundheitsrisiken mit sich, die beachtet werden müssen, um das Wohlergehen der Beschäftigten in diesem sich schnell entwickelnden digitalen Zeitalter zu gewährleisten. Nur wenn Chancen und Risiken sowie Treiber und Hindernisse in der Implementierung dieser Technologien bekannt sind und die Technologien unter Beachtung einer menschenzentrierten Arbeitsgestaltung zum Einsatz kommen, kann das tatsächliche Potenzial von Robotik und künstlicher Intelligenz (KI) für den Menschen genutzt werden.

EU-OSHA-gefördertes Forschungsprojekt

In einem dreijährigen Forschungsprojekt hat sich die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) im Auftrag der EU-OSHA mit dieser Thematik umfassend beschäftigt und einen Überblick über die aktuelle Forschungs- und Anwendungslage von robotischen und KI-basierten Systemen am Arbeitsplatz erstellt. Insgesamt wurden über 188 systematische Literaturreviews und Metaanalysen gesichtet. Zusätzlich wurden europaweit elf Fallstudien und fünf Anwendungsbeispiele in Betrieben unterschiedlichster Branchen erstellt. Basierend auf den gesammelten Erkenntnissen aus Literatur und Praxis konnten Empfehlungen für die Implementierung von fortschrittlicher Robotik und KI-basierten Systemen am Arbeitsplatz abgeleitet werden.

Vor allem konnte das Forschungsprojekt zeigen, dass diese Technologien schon lange nicht mehr auf das produzierende Gewerbe beschränkt sind. Anwendungsfälle lassen sich in Schulen, Landwirtschaftsbetrieben, Krankenhäusern, Verlagen, Laboren, Baustellen und an vielen weiteren Orten finden. Aktuell wird am stärksten im Bereich der medizinischen und sozialen Anwendungen geforscht, doch die meisten implementierten Systeme sind derzeit noch im Produktionssektor zu finden.

Auswirkungen zunehmender Automatisierung am Arbeitsplatz

Im Zusammenhang mit der Automatisierung von Aufgaben durch fortschrittliche Robotik und KI-basierte Systeme wurden auch die Auswirkungen der Implementierung auf physische, psychosoziale und organisationale Aspekte des Arbeitsplatzes erforscht. Während der primäre Effekt vieler robotischer Systeme im physischen Bereich liegt (z. B. Vorbeugung von Muskel-Skelett-Erkrankungen), unterstützen KI-basierte Systeme primär kognitive Aufgaben (z. B. Unterstützung von Bildanalysen). Für beide Technologien stehen jedoch besonders die psychosozialen Auswirkungen im Fokus.

Risiken minimieren, Chancen maximieren

Im Bereich der Chancen sind hier Faktoren wie mehr Entscheidungsfreiraum über die Gestaltung von Arbeitsabläufen und eine optimierte mentale Beanspruchung zu finden. Jedoch gibt es auch psychosoziale Risiken, wie etwa die Angst vor Arbeitsplatzverlust oder das Gefühl von Überwachung durch die Technologie. Im Hinblick auf organisationale Faktoren zeigte sich, dass besonders der Umgang mit den Veränderungen am Arbeitsplatz seitens des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin maßgeblich für den langfristigen Erfolg der Implementierung ist. Das frühzeitige Einbeziehen der Beschäftigten sowie eine klare und offene Kommunikation über anstehende Veränderungen halfen dabei, Bedenken zu adressieren. Bei der Aufgabengestaltung ist es wichtig, dass die Technologie dafür eingesetzt wird, den Menschen zu unterstützen, nicht, dass der Mensch nun ausschließlich die Aufgaben übernimmt, welche das System noch nicht ausführen kann. Ein weiterer Treiber für die Implementierung sind zudem besonders technologieaffine Beschäftigte, welche als Ansprechpersonen für ihre Kolleg:innen dienen können. Auch der Austausch der Betriebe untereinander wurde als positiver Einfluss angeführt, da man so von den Erfahrungen anderer lernen konnte, selbst wenn es sich um unterschiedliche Anwendungsfälle handelte.

Ein weiterer wichtiger Faktor, welcher innerhalb des Projektes sowohl von Expert:innen als auch von den Unternehmen der Anwendungsbeispiele eingebracht wurde, ist die aktuelle Rechtslage bezüglich dieser Technologien. Ende 2023 einigte man sich in Form des AI-Act auf eine Verordnung zur Regulierung von künstlicher Intelligenz im Rahmen der EU-Digitalstrategie. Die Maschinenrichtlinie 2023/1230/EU ersetzt ihren Vorgänger aus 2006. Die genauen Implikationen, die diese Veränderungen in der legislativen Landschaft für die Nutzung von fortschrittlicher Robotik und KI-basierten Systeme haben, ist für jeden Einzelfall zu betrachten. Allgemein gültig bleibt jedoch: Um diese Technologien sicher und menschenzentriert zu nutzen, müssen sowohl die Neuerungen der Regelwerke beachtet als auch etablierte Konstanten der ergonomischen Arbeitsgestaltung (z. B. die Interaktionsprinzipien der DIN EN ISO 9241-110) berücksichtigt werden.

Empfehlungen für die Implementierung

Gesunde Arbeit

Basierend auf den Forschungsergebnissen wurden aus den Fallstudien und Anwendungsbeispielen vier Empfehlungen abgeleitet, die Unternehmen sektor- und technologieübergeifend dabei geholfen haben, fortschrittliche Robotik oder KI-basierte Systeme erfolgreich zu implementieren (siehe Infografik).

Fortschrittliche Robotik und KI-basierte Systeme werden die Welt der Arbeit und wie wir Arbeit gestalten in Zukunft weiter verändern. Sie haben das Potenzial, Arbeit angenehmer und menschenzentrierter zu gestalten. Doch dies ist nur möglich, wenn alle Beteiligten – Praxis, Forschung und Politik – zusammenarbeiten.

Magazin Gesunde Arbeit, Stamm-Ausgabe 2/2024