Darfʼs ein bisserl kälter sein?
Mit Blick auf die befürchteten Energieengpässe im kommenden Winter wurden verschiedenste Einsparungspotenziale ausgelotet. Aus Kostengründen am Arbeitsplatz weniger zu heizen hat seine Grenzen, weil es klare Regeln für die Lufttemperatur gibt.
Während die Politik die sommerliche Hitzeproblematik am Arbeitsplatz seit Jahren konsequent ignoriert, kamen in diesem Zusammenhang sofort Überlegungen auf, die untere Temperaturgrenze in Arbeitsstätten zu senken. In Gesprächen zwischen Arbeitsministerium und Sozialpartnern konnten ÖGB und AK überzeugend darlegen, dass bei einer Temperaturabsenkung die Gesundheit der Beschäftigten in hohem Maße gefährdet und das Betriebsklima gestört wäre. Die diesbezüglichen Überlegungen sind somit vom Tisch.
Gesundheit und Behaglichkeit als Grundlage
Die Raumtemperatur an Arbeitsplätzen unterliegt in Österreich seit Jahrzehnten genauen gesetzlichen Bestimmungen. Die für Arbeitsstätten geltenden Werte entsprechen dem arbeitsmedizinischen Kenntnisstand und sorgen dafür, dass Arbeitnehmer:innen gesund bleiben. Mit den geltenden Temperaturbereichen haben die Arbeitgeber:innen einen ausreichenden Handlungsspielraum, um die Temperatur an die jeweiligen Arbeitstätigkeiten anzupassen.
Temperaturen am Arbeitsplatz
Die Arbeitsstättenverordnung schreibt je nach belastender Tätigkeit folgende Grenzwerte vor (Stand: Oktober 2022):
- Zwischen 19 und 25 °C bei geringer körperlicher Belastung wie Arbeiten im Sitzen
- Zwischen 18 und 24 °C bei normaler körperlicher Belastung wie Arbeiten im Stehen oder Gehen
- Mindestens 12 °C bei hoher körperlicher Belastung wie bei schwerer körperlicher Arbeit
- Mindestens 21 °C Raumtemperatur an Waschplätzen und in Waschräumen ohne Duschen, in Umkleideräumen, in Aufenthalts-, Pausen- und Bereitschaftsräumen
- Mindestens 24 °C Raumtemperatur in Waschräumen mit Duschen
Ausnahmen sind möglich, wenn produktionstechnische Gründe vorliegen oder wenn es sich um kurzfristige Tätigkeiten bis höchstens zwei Stunden täglich in Räumen ohne Arbeitsplatz handelt.
Darauf ist zu achten
In der kalten Jahreszeit muss so geheizt werden, dass die Temperatur schon bei Arbeitsbeginn zumindest den unteren Wert erreicht. Das gilt auch für den Montag oder nach einem Feiertag. Wie sich das Raumklima individuell tatsächlich anfühlt, hängt maßgeblich vom Zusammenspiel von Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit (= Behaglichkeitsklima) sowie weiteren Einflussfaktoren ab. Natürlich ist auch das eigene Kälteempfinden relevant.
Frauen sind besonders betroffen
Aufgrund ihrer Physiologie sind Frauen die Hauptbetroffenen von „Heizsparmaßnahmen“. Bei zu geringer Temperatur am Arbeitsplatz kommt es bei ihnen leichter zu Frösteln, Gänsehaut sowie kalten Händen oder Füßen. Ohne vorgeschriebene Thermometer wird das subjektive Temperaturempfinden der Arbeitnehmer:innen weiterhin die Heizung in den meisten Betrieben steuern, es sei denn, die Heizung wird zentral gesteuert.
Nicht auf Kosten der Gesundheit
Energiesparen – ja, natürlich! Dort, wo es sinnvoll ist und nicht auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten geht. Die Aussage „Niemand wird frieren müssen“ sollte gerade am Arbeitsplatz besondere Gültigkeit haben, denn Arbeitnehmer:innen haben hier einen sehr begrenzten Spielraum.
Magazin Gesunde Arbeit 4/2022