„Die Arbeitszeiten müssen zu Betrieb und Beschäftigten passen!“
Die Arbeitszeitgestaltung ist ein wichtiger Gesundheitsfaktor und trägt wesentlich zu guten und gesunden Arbeitsbedingungen bei. Doch was macht eine gute Arbeitszeitgestaltung aus und wo setzen Betriebe am besten an? „Gesunde Arbeit“ fragte bei Psychologin und Co-CEO von XIMES, Anna Arlinghaus, nach.
Welche arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse liegen vor, wenn es um Arbeitszeit und Gesundheit geht? Oder auch: Warum sind zu lange Arbeitszeiten abzulehnen?
Drei gut abgesicherte Erkenntnisse haben wir aus der umfangreichen Forschung:
- Lange Arbeitszeiten sind mit erhöhter Ermüdung und Erschöpfung sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden. Lange tägliche Arbeitszeiten haben schon ab der 9. Stunde ein erhöhtes Risiko für Fehler und Unfälle. Auch lange wöchentliche Arbeitszeiten hängen mit Beeinträchtigungen zusammen, z. B. einem erhöhten Schlaganfallrisiko, Schlafstörungen, Depressionen und Stress. Je länger die Wochenarbeitszeit ist, desto häufiger treten gesundheitliche Probleme auf.
- Die Tageszeit, zu der die Arbeit stattfindet, ist entscheidend. Da der Mensch nachts auf Schlaf und tagsüber auf Aktivität eingestellt ist, stört Arbeit in der Nacht diesen Rhythmus. Folgen können sein: eine Verringerung der Leistungsfähigkeit, Erschöpfung, kürzerer und schlechterer Schlaf während des Tages und langfristig gesundheitliche Risiken.
- Es ist besonders wichtig, die Arbeit ganzheitlich zu betrachten: Wie verteilt sich die Inanspruchnahme im Laufe eines Arbeitstages, und welche Belastung tritt außer der Arbeitszeit zusätzlich auf? Und kann eine andere Gestaltung der Arbeitszeit Entlastung schaffen, z. B. durch eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit oder zusätzliche freie Tage als Ausgleich?
Stichwort: Arbeitszeitverkürzung. Ist diese ein Anreiz für die Gewinnung von Arbeitskräften?
Es gibt eine Reihe positiver Effekte, wenn eine Arbeitszeitverkürzung betrieblich umgesetzt werden kann. Verbesserungen für die Beschäftigten wurden vor allem in Bezug auf Stressempfinden, Schlaf, Work-Life-Balance und arbeitsbedingte Muskel-Skelett-Beschwerden gefunden. Das Mehr an Freizeit wird allgemein sehr positiv bewertet und vor allem für Familie, Freunde und Hobbys verwendet. Auch die Arbeitszufriedenheit steigt zum Teil deutlich. Liegt die Auswirkung allerdings darin, dass die bisherige Arbeit in kürzerer Zeit erledigt werden muss, dann kann das kontraproduktiv sein und zu mehr Stress aufgrund von Arbeitsverdichtung führen.
Wie gesund sind flexible Arbeitszeiten?
Die Möglichkeit, die Arbeitszeiten an persönliche Vorlieben anzupassen, kann sehr positiv wirken. Beispiele sind die Berücksichtigung von Wünschen nach Schichttauschen, Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Arbeitszeitmodellen bis hin zu einer hohen Autonomie bei fast gänzlich selbstbestimmten Arbeitszeiten wie Gleitzeit ohne Kernzeiten. Abgesehen davon, dass die Entscheidungshoheit über die zu arbeitenden Stunden in den seltensten Fällen bei den Arbeitnehmer:innen selbst liegt, sind selbstgeplante bzw. in wesentlichen Elementen mitgestaltete Arbeitszeiten aus arbeitswissenschaftlicher Sicht nicht immer vorteilhafter als ein vorab fix festgelegter und ergonomisch gut gestalteter Schichtplan. Manchmal bleibt nämlich die Erholung auf der Strecke, weil z. B. aus finanziellen Gründen oder aus Rücksichtnahme auf andere Kolleg:innen bzw. betriebliche Abläufe oder Wünsche der Arbeitgeber:innen lange Arbeitszeiten oder sehr viel Nachtarbeit gewählt werden. Auch die mehr oder weniger selbst frei gewählte Verschiebung von Arbeitszeit in den späten Abend hinein stört die zusammenhängende Ruhezeit, die wichtig für die Erholung ist.
Wichtig ist daher, auch bei selbstgewählten Arbeitszeiten darauf zu achten, dass die Ruhezeit mindestens elf Stunden beträgt, ausreichend Pausen genommen werden und nicht dauerhaft lange Arbeitszeiten anfallen. Letzteres würde die Gesundheit, das Unfallrisiko und das Sozialleben nämlich auf Dauer deutlich verschlechtern.
Die Digitalisierung macht das Arbeiten auch außerhalb des Betriebes und abseits fester Arbeitszeiten möglich. Wie können Arbeitnehmer:innen vor zeitlicher Entgrenzung und Dauererreichbarkeit geschützt werden?
Oft ist es bereits die Erreichbarkeitserwartung bei den Beschäftigten, die problematische Folgen hat: Wenn man davon ausgeht, dass man immer erreichbar zu sein hat. Dann tatsächlich vom Betrieb kontaktiert zu werden, ist fast schon nachrangig. Dabei haben Betriebe diese Erwartung häufig gar nicht in einem so hohen Ausmaß. Manchmal wird auch ein unausgesprochener Druck verspürt und die Arbeitnehmer:innen fühlen sich verpflichtet, erreichbar zu sein. Dagegen helfen nur gute, transparente Spielregeln und Absprachen für den Einsatz digitaler Kommunikation: Wer muss tatsächlich und zu welchen Zeiten erreichbar sein? Wann ist dies unerwünscht?
Was macht eine gute Arbeitszeitgestaltung aus? Wo setzen Betriebe am besten an?
Die Arbeitszeit sollte zum betrieblichen Bedarf passen und gleichzeitig die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigen. Das ist gar nicht so einfach. Eine Analyse der betrieblich notwendigen Voraussetzungen ist daher immer der erste Schritt: Wann brauche ich wie viele Personen und mit welcher Qualifikation? Wie ist mein Geschäftsmodell? Passt da vielleicht eine Viertagewoche? Wie könnte die Arbeit organisiert werden, damit sie effizienter abläuft und in kürzerer Zeit erledigt werden kann, ohne gleichzeitig den Arbeitsdruck auf die Beschäftigten zu erhöhen?
Dann gibt es eine Reihe ergonomischer Empfehlungen: So sollte bei belastenden Tätigkeiten nicht auch noch zusätzlich sehr lange oder in der Nacht gearbeitet werden. Aus sozialen Gründen sollten nicht zu viele Abende oder Wochenenden am Stück verplant werden. Selbstbestimmte Arbeitszeiten können, wie oben beschrieben, die Arbeitszeiten attraktiver machen und die Work-Life Balance verbessern. Wichtig ist jedenfalls die Einbindung aller betrieblichen Akteur:innen – dann können nachhaltige Lösungen gefunden werden.
Kontakt:
Anna Arlinghaus, Co-CEO XIMES GmbH
arlinghaus@ximes.com
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 4/2024