BGF als Teil der Unternehmenskultur
Tischlermeister Michael Weinstabl setzt in seinem Unternehmen auf Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF). Er ist davon überzeugt, dass ein gesundes Arbeitsumfeld und gute Arbeitsbedingungen immer wichtiger werden – einerseits, um die derzeit beschäftigten Arbeitnehmer:innen zu halten, und andererseits, um neue Arbeitnehmer:innen zu gewinnen.
Der Werkstoff Holz sticht bei unserem Besuch in der Bau- und Möbeltischlerei Michael Weinstabl sofort ins Auge: Eine Holztreppe führt in das vor Kurzem neu bezogene Büro im ersten Stock. Türen, Lampen, Deckentrame und zahlreiche Möbelstücke aus Holz sorgen in Kombination mit Glaswänden für eine angenehme Atmosphäre. Die lichtdurchfluteten Büros sind hell und aufgrund der Schalldämmung sehr ruhig, begrünte Sichtschutzwände grenzen die Arbeitsplätze ab. Im Erdgeschoß befinden sich die Werkstätte und die Produktionshalle, neben dem Hauptgebäude steht die Lagerhalle des Betriebs.
Michael Weinstabl, einst jüngster Tischlermeister Österreichs, übernahm im Jahr 2014 den Tischlereibetrieb seiner Eltern in Leopoldsdorf im nördlichen Waldviertel. Mit Unterstützung seiner Familie baute er den Betrieb laufend aus. Dieser beschäftigt inzwischen 25 Arbeitnehmer:innen, darunter acht Tischler, sechs Tischlereitechniker, einen Projektleiter, zwei CAD-Technikerinnen, drei Büroangestellte, drei Lehrlinge, einen Hilfsarbeiter und eine Reinigungskraft.
Start des BGF-Projekts
„Als ich den Betrieb von meinen Eltern übernommen habe, war mir wichtig, gute Rahmenbedingungen für meine Arbeitnehmer:innen zu schaffen, damit diese einen sicheren und schönen Arbeitsplatz haben. Wir haben überlegt, wie organisieren wir uns besser, wie können wir eingesessene Strukturen weiterentwickeln“, so Weinstabl. „Unterstützt durch eine BGF-Beraterin der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) haben wir dann im Jahr 2019 mit Betrieblicher Gesundheitsförderung bei uns im Betrieb gestartet“, erzählt Weinstabls Schwester Alexandra Koll, die als BGF-Beauftragte das Projekt intern steuert und auch die Sicherheitsvertrauensperson des Betriebs ist. „Wesentlich für das Gelingen des BGF-Projekts war auch die Begleitung durch die BGF-Beraterin der ÖGK“, so Koll, wobei der Betrieb auch schon früher externe Beratung und Unterstützung in Anspruch genommen habe, und erwähnt dabei den Betriebsnachfolgeprozess, die Impulsberatung für Betriebe sowie Angebote des AMS.
Einbindung der Beschäftigten
Von Anfang an war es beiden wichtig, die Arbeitnehmer:innen beim BGF-Projekt mit ins Boot zu holen, sie in Entscheidungen miteinzubeziehen und das Team- bzw. das Wir-Gefühl zu stärken. „Unter anderem haben wir Arbeitsgruppen und Workshops gemacht, in denen wirklich viele tolle und kreative Ideen von den Mitarbeitern gekommen sind, von denen ich wirklich geflasht war. So konnten wir gemeinsam sehr gute Lösungen erarbeiten, beispielsweise bei der Anschaffung und Aufstellung von Maschinen. Das war vor BGF nicht so“, erzählt Weinstabl.
BGF-Maßnahmen
Koll und Weinstabl zählen eine Reihe von Maßnahmen auf: So wurde das Büro umgebaut, dessen Ausstattung verbessert und es wurden höhenverstellbare Tische angeschafft – insbesondere mit Blick auf eine ergonomische Arbeitsweise. Nach einer Evaluierung der Arbeitsprozesse erfolgte eine Optimierung der Auftragsabwicklung sowie der Arbeitsabläufe. Seither können alle im Betrieb jederzeit den Status eines jeden Auftrags bzw. Werkstückes abfragen. Laptop und Digitalisierung haben dadurch auch in den Werkstätten- bzw. im Produktionsbereich Einzug gehalten. Die Sanitäranlagen wurden komplett erneuert. Es gibt selbstverständlich einen Obstkorb sowie eine Tee-, Kaffee- und Müslibar. Die Geburtstage der Beschäftigten werden bei einem Geburtstagsfrühstück gefeiert. Zu den eingeführten Maßnahmen gehören auch wöchentliche Teambesprechungen, in denen aktuelle Herausforderungen, Fragen und Ideen besprochen werden. Die nächsten Schritte sind bereits geplant: Der Aufenthaltsraum soll mit einer großen Küche erweitert werden. Im Produktionsbereich sollen eine Plattensäge und – zur Entlastung der Beschäftigten – ein Plattenheber angeschafft werden. Außerdem soll die Lüftungsanlage verbessert werden und zum Schutz vor Holzstaub soll in eine neue Absauganlage investiert werden. Mit all diesen Maßnahmen möchte der Betrieb seinen Beschäftigten ein modernes und gesundes Arbeitsumfeld bieten.
- Michael Weinstabl
- Lehrling Thomas Kainz
- Tischlereitechniker Julian Kainz
- Tischlergeselle Daniel Dimmel
Gute Ausbildung der Lehrlinge
Eine gute Ausbildung der Tischlerlehrlinge ist Weinstabl ein persönliches Anliegen. Durch die Arbeit mit den Tischlergesellen lernen diese täglich dazu und werden auch zum Thema Arbeitssicherheit geschult. Weinstabl achtet darauf, dass die jungen Leute aktiv in die Teams integriert werden, innerhalb dieser rotieren und dadurch verschiedene Arbeitsweisen kennenlernen. „Ich brenne für mein Handwerk und für den Grundwerkstoff Holz, diese Begeisterung möchte ich weitergeben“, betont Weinstabl.
Diese Leidenschaft versprüht auch Thomas Kainz, der seit September als Lehrling im Betrieb arbeitet. Schon zur Schulzeit interessierte er sich für den Werkstoff Holz, stellte im Polytechnischen Lehrgang mehrere Werkstücke her, gewann damit den niederösterreichischen Jugendwettbewerb und wurde Zweiter beim Bundeswettbewerb. Er schnupperte zuerst mehrere Tage in unterschiedlichen Betrieben und entschied sich schließlich bewusst für Weinstabl. Seine Entscheidung hat er bisher nicht bereut: „Die Arbeit ist extrem abwechslungsreich, die Leute sind alle leiwand und es ist eigentlich immer eine Gaudi. Die Arbeit macht Spaß und mit dem Chef passt es auch.“
Dass die Lehrlinge bei Weinstabl eine gute Ausbildung erhalten, zeigt auch der Bundeslehrlingswettbewerb. „Unser Lehrling Mario Flicker wurde 2023 Bundeslehrlingssieger im Tischlereitechniker-Zweig Planung (4. Lehrjahr)“, erzählt Weinstabl voller Stolz und mit leuchtenden Augen.
Attraktiv als Arbeitgeber
Um den Arbeitnehmer:innen regelmäßig kostengünstige Weiterbildung anbieten zu können, trat die Tischlerei dem Qualifizierungsverbund Waldviertel bei. Davon profitiert auch der Tischlergeselle Daniel Dimmel. Er kam vor sieben Jahren als Leasingarbeiter zu Weinstabl, wurde übernommen und blieb. „Mir haben das Team und die gesamte Kommunikation gefallen. Eigentlich haben der Michi (mein Chef) und ich ein Verhältnis wie Kollegen. Er schätzt unsere Arbeit, und wir bekommen auch ab und zu ein Essen bezahlt, oder im Sommer hatten wir auch schon eine Grillfeier.“ Durch die Investitionen in neue Maschinen hätten sich auch die körperlichen Belastungen reduziert. Auffallend ist: Auch Dimmel betont die gute Stimmung unter den Kolleg:innen und würde den Betrieb weiterempfehlen.
Gute Arbeitsbedingungen, ein gesundes Arbeitsumfeld, eine gute Ausbildung der Lehrlinge, Weiterbildungsmöglichkeiten für die Beschäftigten, Einbindung der Arbeitnehmer:innen – das spricht sich herum. Die Tischlerei wird in der Region und darüber hinaus als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen – speziell für Lehrlinge. „Natürlich spielt Geld auch eine Rolle, es müssen aber vor allem die Rahmenbedingungen passen“, so Weinstabl. Dass diese passen, zeige auch die geringe Mitarbeiter:innenfluktuation, ergänzt Koll. Durch alle genannten Maßnahmen gelänge es dem Betrieb, einerseits neue Arbeitskräfte zu gewinnen und andererseits diese dann langfristig an das Unternehmen zu binden.
BGF als Teil der Unternehmenskultur
Der Tischlerei wurde inzwischen zweimal das BGF-Gütesiegel verliehen und 2023 gewann sie den BGF-Sonderpreis der Wirtschaft. Derzeit ist der Antrag für die erneute Verleihung des Gütesiegels in Bearbeitung. „BGF ist bei uns nie abgeschlossen, sondern inzwischen ein laufender Prozess. Das wird täglich gelebt“, so Alexandra Koll. Michael Weinstabl rät auch anderen Betrieben zu Betrieblicher Gesundheitsförderung: „Das BGF-Projekt hat sich jedenfalls gelohnt, auch um eine andere Sichtweise auf bestimmte Themen, wie z. B. Führung oder Gesundheit, zu bekommen.“ Nicht zuletzt habe er gelernt, Aufgaben zu delegieren und Verantwortung abzugeben. Koll und Weinstabl sind überzeugt: „BGF ist ein toller Leitfaden, der die Richtung vorgibt, in die es gehen kann, aber die Schritte muss man schon selber gehen.“ Doch dieser Weg zahle sich aus, so Weinstabl: „Es freut einen, wenn man jemandem beim Arbeiten zusieht und er oder sie hat einen Grinser im Gesicht.“
Weiterführende Infos zum Thema BGF
Sind Sie bereit für BGF? Die ÖGK berät und begleitet Sie:
Österreichische Gesundheitskasse
Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)
Tel.: 05 07 66-501515
E-Mail: bgf@oegk.at
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 4/2024