Gesundheitsrisiken: Kein gutes Zeugnis für die Arbeitswelt
Wovor ExpertInnen bereits warnten, förderte die Statistik Austria jetzt ans Tageslicht: Gesundheitsrisiken sind nahezu an jedem Arbeitsplatz vorzufinden. Insgesamt kein gutes Zeugnis.
Arbeitsbedingungen sind kein Honiglecken: Neun von zehn Erwerbstätigen sind von mindestens einem Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz betroffen. Zu viele ArbeitnehmerInnen bezahlen schlechte Arbeitsbedingungen mit ihrer Gesundheit und arbeitsbedingte Erkrankungen kosten jährlich 8,1 Milliarden Euro.
Im Rahmen der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung 2020 befragte die Statistik Austria 16.141 Personen zum Ad-hoc-Modul „Arbeitsunfälle und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme“: Von rund 4,3 Mio. Erwerbstätigen waren 3.713.900 Erwerbstätige (86,4 %) zumindest einem körperlichen und/oder psychischen Risikofaktor ausgesetzt.
Körperliche Gesundheitsrisiken
Acht von zehn Erwerbstätigen (3.393.500 bzw. 79,0 %) waren an ihrem Arbeitsplatz zumindest einem Risiko für körperliche Erkrankungen ausgesetzt.
Als häufigstes Gesundheitsrisiko wurden mit großem Abstand die Arbeiten, bei denen eine starke Anstrengung der Augen nötig ist, genannt (37,3 %). Jeweils rund drei Viertel der Büroarbeitskräfte waren von einer Überanstrengung der Augen betroffen. Besonders belastet waren auch Personen mit Leitungsfunktion.
Jeweils rund ein Drittel der Erwerbstätigen gab an, sich wiederholende Handbewegungen ausführen oder schmerzhafte Arbeitshaltungen einnehmen zu müssen. Mit schweren Lasten hantieren musste rund ein Viertel der Erwerbstätigen. Gut ein Fünftel der Erwerbstätigen sah im Einsatz von Handmaschinen ein Arbeitsrisiko. Etwa ebenso viele waren von Lärm, Staub, Hitze und Sturzgefahr betroffen.
Vergleich 2007 und 2020
Im Vergleich mit 2007 ist nur ein Belastungsfaktor zurückgegangen: Die Belastung durch Zigarettenrauch reduzierte sich von 223.000 auf 164.400 betroffene Erwerbstätige im Jahr 2020.
Alle anderen Belastungen wurden 2020 häufiger angegeben als 2007. Am stärksten gestiegen ist der Risikofaktor „Chemikalien“ von 307.100 auf 556.000 Erwerbstätige. Ebenfalls stark gestiegen ist das Risiko durch das Hantieren mit schweren Lasten von 668.600 auf 1.130.100 Erwerbstätige.
Psychische Gesundheitsrisiken
2.542.900 Erwerbstätige (59,2 %) klagten über zumindest ein psychisches Gesundheitsrisiko. Psychische Belastungsfaktoren betrafen vor allem jene Branchen, in denen personenbezogene Dienstleistungen erbracht werden. Betrachtet man die einzelnen Berufe, waren Krankenpflegekräfte am häufigsten von psychischen Risiken betroffen: Neun von zehn gaben zumindest ein psychisches Gesundheitsrisiko an.
Starker Zeitdruck bzw. Arbeitsüberlastung wurden am häufigsten als größtes arbeitsbezogenes Gesundheitsrisiko genannt. 1.647.600 Erwerbstätige (38,3 %) berichteten, in ihrer Arbeit an starkem Zeitdruck zu leiden oder überlastet zu sein.
Der Umgang mit schwierigen Personen wurde von gut einem Drittel der Erwerbstätigen als Risikofaktor angegeben (1.479.300 bzw. 34,4 %). Mit Abstand am häufigsten waren Erwerbstätige im Gesundheitswesen betroffen: Sechs von zehn nannten diesen Risikofaktor.
Rund 177.000 Erwerbstätige (4,1 %) gaben an, in ihrer Arbeitsumgebung von Gewalt bedroht zu sein. Nach Berufen betrachtet gaben Sicherheitsbedienstete (46,8 %) und Personen in der Sozial- und Gesetzespflege (41,1 %) am häufigsten an, von Gewalt betroffen zu sein.
Rund 137.800 Erwerbstätige (3,2 %) waren durch Mobbing belastet. Frauen waren 1,7-mal häufiger betroffen als Männer. Am häufigsten wurde im Gesundheits- und Sozialwesen und in der öffentlichen Verwaltung über Mobbing berichtet (jeweils 6,4 % Betroffene).
Vergleich 2007 und 2020
Im Vergleich mit 2007 ist das Gesundheitsrisiko „Zeitdruck“ stark gestiegen: Die absolute Anzahl der Betroffenen stieg um 430.000 Personen von rund 1.220.000 auf rund 1.650.000 Erwerbstätige. Ebenso stieg der Anteil von 30,4 % auf 38,3 % stark an.
Ein Gesundheitsrisiko durch Gewalterfahrungen wurde von rund 177.000 Erwerbstätigen (4 %) angegeben. Dieses Risiko ist angestiegen: 2020 war die Belastungsquote 3,5-mal höher als 2007 (47.600 Betroffene).
Arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme
925.000 aller früher und derzeit Erwerbstätigen (13,4 %) gaben zumindest ein arbeitsbedingtes Gesundheitsproblem an. Etwa ein Drittel davon hatten mehr als ein arbeitsbedingtes Gesundheitsproblem (311.000 bzw. 33,6 %).
Arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme haben erhebliche Folgewirkungen: 253.800 Betroffene (27 %) klagten, dadurch bei der Ausführung von Alltagstätigkeiten wesentlich beeinträchtigt zu sein, und weitere 511.500 Betroffene (55,3 %) berichteten, teilweise beeinträchtigt zu sein.
61.300 Personen (6,6 %) gaben Depressionen als schwerwiegendste arbeitsbedingte Erkrankung an. Depressionen oder Angstzustände traten bei Frauen 1,5-mal so häufig auf wie bei Männern (8,0 % zu 5,3 %).
Arbeitsbedingte Erkrankungen im Vergleich 2007 und 2020
Der größte prozentuelle Anstieg ergab sich bei „Stress und Depressionen“. 2007 waren knapp 1 % (52.400) der aktuell oder früher Erwerbstätigen von Stress, Depressionen bzw. Angstzuständen betroffen. 2020 waren es 1,5 % (105.300).
Bei den von Nacken- und Schulterschmerzen Betroffenen war ein leichter Anstieg zu bemerken (von 2,3 % auf 2,8 % bzw. von 142.700 auf 193.800 Betroffene).
Alle anderen arbeitsbedingten Krankheiten zeigten einen kontinuierlichen Rückgang bzw. blieben konstant. Am stärksten reduziert sich der Anteil an von Rückenproblemen Betroffenen von 5,8 % (368.800) im Jahr 2007 auf 4,4 % (301.400) im Jahr 2020. Rückenschmerzen waren das am häufigsten genannte Gesundheitsproblem. Es bleibt also viel zu tun in der betrieblichen Prävention.
Quelle:
- Statistik Austria (Hrsg.): Arbeitsunfälle und arbeitsbezogene Gesundheitsprobleme – Modul der Arbeitskräfteerhebung 2020; Wien 2022
Magazin Gesunde Arbeit 2/2022