Drei Lupenblicke auf 140 Jahre Arbeitsinspektion
Neun „Gewerbeinspectoren“ nahmen ihre Arbeit im Jänner 1884 auf. 1960 gab es noch immer 417 tödliche Arbeitsunfälle. Seither haben diese deutlich abgenommen, aber dafür nehmen psychische Belastungen bei der Arbeit zu. Der Blick durch drei Zeitfenster verdeutlicht die spannende Entwicklung.
Die Arbeitsinspektion feiert heuer ihre 140-jährige, erfolgreiche Geschichte. Ihre Kernthemen waren von Beginn an Regelungen über Arbeitszeiten und zur Verhütung von Arbeitsunfällen. Der Schriftsteller Franz Kafka (1883–1924) verfasste ab 1908 im Dienst der Arbeiter-Unfall-Versicherung Schriften über die Unfallverhütung. In einem Brief schrieb er: „fallen […] wie betrunken die Leute von den Gerüsten herunter, in die Maschinen hinein“. Anstelle einer Chronologie von 1884 bis 2024 wird eine Lupe auf drei Zeiträume gerichtet.
Kaiser Franz Joseph I.
Per Gesetz vom 17. Juni 1883 (RGBl. Nr. 117) ordnete der Kaiser an, die erforderliche Anzahl von „Gewerbeinspectoren“ zu ernennen. § 12 regelte die Kontroll- und Beratungsaufgaben: „sollen die Gewerbeinspectoren bemüht sein, durch eine wohlwollend controlierende Thätigkeit nicht nur den […] Hilfsarbeiter(n) […] die Wohltaten des Gesetzes zu sichern, sondern auch die Gewerbe-Inhaber […] tactvoll zu unterstützen“.
In der Folge traten 9 Gewerbeinspektoren mit 1. Februar 1884 ihre Tätigkeit in sehr großen Aufsichtsbezirken an. Das Gebiet reichte von Vorarlberg im Westen bis nach Galizien und in die Bukowina in der heutigen Ukraine und im Süden bis nach Dalmatien. 1886 hält eine Verordnung zum Thema Kinder- und Frauenarbeit fest: „einzelnen […] Zweigen der Textilindustrie die Verwendung von jugendlichen Hilfsarbeitern zwischen dem 14. und 16. Lebensjahre, sowie Frauenpersonen überhaupt zur Nachtarbeit […] gestattet wurde“.
Ein Bericht zur Halbzeit
1960 waren allein in Tirol neun Arbeitsinspektoren beschäftigt. Der Jahresbericht damals listet österreichweit 115.728 Unfälle, davon 417 tödliche, auf. Aus heutiger Sicht hätten einfache Schutzvorrichtungen die Unfälle vermeiden können. Zum Beispiel wurde in einem Sägewerk ein Arbeiter von einer nicht verkleideten Horizontalwelle an den Kleidern erfasst, herumgeschleudert und tödlich verletzt. Auch Baumaschinen, Explosionen, Vergiftungen und Verbrennungen führten zu tödlichen Unfällen. Die Ämter berichteten über Verbesserungen wie Staubabsaugungen und Detonationsverzögerern bei Sprengungen.
Was bewegt uns heute?
Als Meilenstein im Arbeitnehmer:innenschutz gilt seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 die Umsetzung der EU-Richtlinien in österreichisches Recht. Die Zahl der tödlichen Unfälle ging 2023 auf 70 zurück. Neue Arbeitsformen, Verfahren wie die Nanotechnologie, psychosoziale und geschlechterspezifische Belastungen erfordern eine ständige Weiterentwicklung des Arbeitnehmer:innenschutzes. Ein künftiger Franz Kafka sollte nach weiteren 140 Jahren Arbeitsinspektion schreiben: „Klassische Verletzungen oder gar Todesopfer bei der Arbeit sind längst Vergangenheit. Den neuen Gefährdungen begegnet die Arbeitsinspektion wirksam.“
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 3/2024