„Die Evaluierung war ein voller Erfolg!“
Unterstützt und begleitet durch einen Arbeits- und Organisationspsychologen führte die Grazer Firma TBK unter aktiver Beteiligung ihrer Beschäftigten die Evaluierung psychischer Belastungen durch. Ergebnis des Prozesses waren zahlreiche Maßnahmen, durch die die Belastung der Arbeitnehmer:innen inzwischen deutlich reduziert werden konnte.
Die TBK Automatisierung und Messtechnik GmbH in Graz entwickelt seit 1986 messtechnische Lösungen für die Stahlindustrie, insbesondere Lasermesssysteme auf Grundlage des Lichtschnitt-Verfahrens. Der Betrieb ist Teil der SMS group und beschäftigt inzwischen über 40 Arbeitnehmer:innen. Im Unternehmen gibt es eine Sicherheitsvertrauensperson und mehrere Ersthelfer:innen. Sicherheitstechnisch wird der Betrieb von AUVAsicher betreut. Die Beschäftigten verteilen sich am Firmenareal auf mehrere Bereiche (Verwaltungsgebäude, Produktionshalle, Softwareentwicklung).
Beweggründe für die Evaluierung
Aufgrund des starken Wachstumsprozesses der letzten Jahre und der damit verbundenen Herausforderungen entschied sich das Unternehmen, die Evaluierung der psychischen Belastungen in Angriff zu nehmen, erzählt Geschäftsführer Ralf Kremer. „Was können wir für unsere Mitarbeiter:innen tun? Wie können wir sie motivieren, dass sie in der Firma bleiben? Und wie können wir ein gutes Betriebsklima sicherstellen?“, schildert Kremer die anfänglichen Beweggründe. Die TBK hatte die Evaluierung psychischer Belastungen vor einigen Jahren bereits einmal durchgeführt – damals aber noch mit deutlich weniger Beschäftigten und ohne externe Unterstützung.
Professionelle Unterstützung
Um den Prozess professionell zu gestalten, holte sich der Betrieb die Unterstützung und Expertise von Martin Weßel, Arbeits- und Organisationspsychologe sowie Geschäftsführer des research-Teams. Der Kontakt kam über eine Mitarbeiterin der TBK zustande. „Das ist ein typischer Fall der Kontaktaufnahme. Viel funktioniert über Mundpropaganda. Wir fahren dann gerne einfach mal zum Kunden und fragen: Was ist denn genau die Herausforderung? Was sind die Rahmenbedingungen?“, so Weßel. Nachdem die Frage der Zusammenarbeit geklärt war, übernahm Weßel als externer Berater die Rolle des Projektleiters im Evaluierungsprozess, der im September 2023 startete.
Der Evaluierungsprozess
„Schritt eins ist immer, die Mitarbeiter:innen und Führungskräfte zu informieren und Vertrauen zu schaffen. Warum machen wir das Ganze? Was ist das Ziel des Projektes?“, erklärt Weßel. Von der Methodik wählte er einen partizipativen Zugang mit mehreren Workshops und Gruppengrößen von vier bis acht Personen, zuerst mit den Führungskräften und anschließend mit den Arbeitnehmer:innen. Für die Kolleg:innen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, gab es einen Workshop in Englisch. „In den Workshops haben wir mit Fragebögen gearbeitet, die von den Teilnehmer:innen ausgefüllt und von uns direkt ausgewertet wurden. Anhand dieser Ergebnisse haben wir dann geschaut, wo sind denn die konkreten Belastungen? Was muss ich denn verändern, damit die Belastung am Ende des Tages nicht mehr so hoch ist?“, so Weßel. Die von den Teilnehmer:innen vorgebrachten Verbesserungs- und Maßnahmenvorschläge wurden von Weßel im Workshop live mitdokumentiert.
„Rund zwei Drittel der Leute waren in den Workshops mit dabei“, freut sich Peter Schalk, technischer Leiter im Unternehmen und Mitglied des ORG-Teams, über das umfangreiche Feedback. „Wir haben gehört, da gibt es Dinge, die zu ändern sind. Aber auch, dass es Dinge gibt, die gut sind. Man hat gemerkt, dass die Mitarbeiter:innen die Firma mitgestalten wollen“, ergänzt Ralf Kremer. Die Teilnahme an den Workshops war den Beschäftigten übrigens freigestellt.
Liste an Maßnahmen
Die Workshops endeten im März 2024, herausgekommen ist eine Maßnahmenliste mit 48 Punkten, von denen rund zwei Drittel bereits umgesetzt wurden. Um Flaschenhälse bei den Ressourcen zu beseitigen, stellte der Betrieb neues Personal ein. Zusätzliche Arbeitshilfsmittel wurden angeschafft. Auf organisatorischer Ebene teilte man Gruppen, die zu viele Dinge gleichzeitig machen mussten, auf mehrere Kleingruppen auf. So wurden z. B. der Service- und Aftersales-Bereich gestärkt. Der Betrieb beseitigte Unklarheiten im Arbeitsprozess (An wen wende ich mich? Wer ist zuständig? Wer verteilt die Aufgaben?) und definierte bestimmte Abläufe neu. Um die Lärmbelastung zu reduzieren, wurden Sitzplätze verändert bzw. Büros gewechselt sowie Kopfhörer angeschafft. Zum Schutz der Arbeitnehmer:innen dienen auch die neuen Laserschutzbrillen. Um dem hohen Druck, der auf den Führungskräften lastete, zu begegnen, wurden einerseits Maßnahmen zur Stärkung der Führungskräfte gesetzt. Andererseits wuchs bei diesen die Erkenntnis, dass manche Aufgaben auch weitergegeben bzw. delegiert werden können.
Evaluierung hat sich gelohnt
„Der Aufwand in der Firma war relativ überschaubar für den Erfolg, den das Ganze gebracht hat. Das zahlt sich schon aus“, sagt Peter Schalk. „Es war auch gut, dass der Prozess durch Martin Weßel begleitet wurde, dadurch war eine gewisse Objektivierung gegeben.“ Durch den Prozess habe er gelernt, dass es vielfach Kleinigkeiten seien, die aufkommen, die aber einfach und rasch gelöst werden könnten – sofern es die Möglichkeit gibt, diese anzusprechen. „Was aus meiner Sicht wichtig ist, ist, dass man so einen Prozess mit den richtigen Partnern durchführen muss. Martin Weßel und sein Team sind mit dem dynamischen Führen der Workshops sehr gut angekommen“, sagt Ralf Kremer. Nur so würden Dinge aufgebracht oder genannt, die man ansonsten nicht hört. Auch Weßel hat den Evaluierungsprozess als „sehr, sehr positiv“ in Erinnerung. „Von Anfang an waren alle sehr offen für den ganzen Prozess.“
Würden Kremer und Schalk die Evaluierung psychischer Belastungen anderen Unternehmen empfehlen? „Unbedingt! Bei uns war sie ein voller Erfolg“, sind sich beide einig.
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 3/2024