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Bildschirmarbeit – die unterschätzte Gefahr

Bildschirmarbeit, verbunden mit langem Sitzen vor dem PC oder Laptop, kann im menschlichen Körper eine Vielzahl von Erkrankungen auslösen. Neben Stoffwechsel- und Gefäßerkrankungen zählen Muskel- und Skeletterkrankungen hierbei zu den häufigsten Beschwerden.

Bildschirmarbeit kann, in Kombination mit langem Sitzen, zu Erkrankungen des Bewegungsapparates führen. Adobe Stock / pressmaster

Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) zählen zu den häufigsten arbeitsbedingten Gesundheitsbeschwerden. Allein in Österreich waren MSE 2019 für 13 % der Krankenstände und 20 % der krankheitsbedingten Fehlzeiten verantwortlich. Bei der Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2015 gaben 60 % der Befragten an, an MSE gelitten zu haben oder zu leiden. Die EU-OSHA, die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, hat 2020–2022 die Prävention von MSE als Schwerpunkt gesetzt. Bildschirmarbeit und ihre negativen Auswirkungen auf den menschlichen Körper sind ein großer Teil dieser Kampagne. Von diesem Schwerpunkt abgeleitet, haben Arbeiterkammer, Arbeitsinspektion und AUVA ihrerseits Schwerpunktaktionen zum Thema MSE durchgeführt. Die Gefahr, durch eine falsche Lastenhandhabung an MSE zu erkranken, ist mittlerweile in vielen Köpfen präsent. Dass einfaches Sitzen ebenfalls ein sehr großes Risiko für eine MSE darstellt, war bis vor ein paar Jahren eher wenig bekannt.

2013 erschien im „Harvard Business Review“ ein Artikel mit dem Titel „Sitting Is the Smoking of Our Generation“. Der Titel klingt im ersten Moment drastisch, die negativen Auswirkungen von stundenlangem Sitzen sind jedoch ähnlich gefährlich für den menschlichen Körper wie die des Rauchens.

Bildschirmarbeit ist mit einer, im schlechtesten Fall stundenlang andauernden, sitzenden Arbeitshaltung verbunden. Beim Sitzen wird die Muskulatur des unteren Rückens, der Hüfte und der Beine inaktiviert. Auf Dauer gesehen führt dies zur Abschwächung bzw. zu einer funktionellen Verkürzung von Muskeln, die für eine normale, gesunde Körperhaltung notwendig sind. Dadurch wird die Körperhaltung im Alltag negativ beeinflusst, mit langfristigen Folgen für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden.

Ebenfalls kommt es durch die inaktive „Sitzmuskulatur“ zu einer unphysiologischen Belastung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule. In Hals- und Lendenwirbelsäule kommt es zu einer vermehrten Fehlbelastung der Bandscheiben und Zwischenwirbelgelenke, die Brustwirbelsäule verliert an Beweglichkeit. Dies führt oftmals zu unspezifischen Rückenschmerzen, die leider allzu oft in einer Bandscheibenvorwölbung oder sogar einem Bandscheibenvorfall enden.

Neben den Auswirkungen des Sitzens und des damit verbundenen Bewegungsmangels auf den aktiven und passiven Bewegungsapparat belegen zahlreiche Studien ein erhöhtes Risiko, an anderen Krankheiten zu erkranken. Zahlreiche Studien bestätigen einen Zusammenhang von Sitzen und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, an Diabetes Typ 2, kardiovaskulären Erkrankungen (Herz-Kreislauf-System) oder gewissen Krebsarten zu erkranken. Weitere Studien zeigen zudem einen Zusammenhang von Sitzen und Bewegungsmangel und degenerativen Veränderungen im Gehirn.

Für den menschlichen Körper ist langes Sitzen vor dem Bildschirm also alles andere als gesund. Um ihn vor den negativen Auswirkungen zu schützen, bedarf es einer umfassenden Präventionsstrategie. Diese muss einerseits die negativen Auswirkungen des Sitzens minimieren, andererseits den Bewegungsmangel bekämpfen.

Ein höhenverstellbarer Tisch allein ist also keine ausreichende Prävention, aber zumindest ein guter Anfang. Eine Büroausstattung mit einem Tisch, an dem man sowohl im Sitzen als auch im Stehen arbeiten kann, und einem individuell anpassbaren Bürostuhl wirkt sich bei richtigem Gebrauch positiv auf den Bewegungsapparat aus. Wichtig dabei ist aber die korrekte Einstellung des Tisch-Stuhl-Systems wie auch des Bildschirms. Stehen keine Stehtische zur Verfügung, ist die korrekte Einstellung der Sitzposition besonders wichtig. Eine Anleitung für die Einstellung findet man in dem in Kürze erscheinenden digitalen Folder zu Büroarbeitsplätzen der Arbeitsinspektion.

Gerhard Eder: „Wichtig ist es, bei der Bildschirmarbeit regelmäßig Pausen zu machen.“ Adobe Stock / pressmaster

Ebenso wichtig ist es, Bewegung in den Arbeitsalltag zu integrieren, ohne die Arbeitsabläufe zu stören. So können beispielsweise Besprechungen im Stehen oder im Gehen abgehalten werden. Telefonate können mit Headsets im Gehen geführt werden.

Die derzeitige Coronapandemie hat die Verbreitung von Homeoffice bei Bildschirmarbeitsplätzen beschleunigt und zu einer Vielzahl an Problemen mit MSE geführt, vor allem wenn aufgrund von Platzmangel der Esstisch und ein Küchenstuhl als neuer Bildschirmarbeitsplatz dienen mussten. Oftmals wurden die ArbeitnehmerInnen mit Laptops ausgerüstet. Ohne externe Tastatur und Maus sind diese nicht ergonomisch für längere Arbeiten bedienbar. Dazu kommt, dass die fix integrierten Bildschirme viel zu niedrig positioniert sind. Dies führt langfristig zu Beschwerden in der Halswirbelsäule. Hier kann ein Laptop-Halter Abhilfe schaffen. Aus Karton ist so ein Laptop-Halter schnell als „Do it yourself!“-Projekt zusammengebaut.

Egal ob im Homeoffice oder im Büro: Wichtig ist es, bei der Bildschirmarbeit regelmäßig Pausen zu machen. Idealerweise kann man die für die Augen gedachte Bildschirmpause auch für etwas Bewegung nutzen. Während der Bildschirmarbeit sollte man ca. 3- bis 4-mal pro Stunde seine Haltung wechseln. Ideal sind 50 % Sitzen, 25 % Stehen, und 25 % Bewegung. So kann man die negativen Auswirkungen des Sitzens minimieren.

Um dem Bewegungsmangel zu begegnen, ist es sinnvoll, Wege zu Fuß zurückzulegen und Rolltreppen sowie Aufzüge zu meiden. Auch Sitzen so oft wie möglich durch Stehen zu ersetzen, wirkt positiv, da Stehen die dreifache Energiemenge verbraucht. Generell sollte als Ausgleich für das Sitzen so viel Bewegung wie möglich gemacht werden. Der Kalorienverbrauch, der durch nicht sportliche Aktivität erzielt wird, wirkt sich positiv auf den ganzen Körper aus. 10.000 bis 15.000 Schritte pro Tag sind eine sinnvolle Zielvorgabe.

Magazin Gesunde Arbeit 2/2022, Niederösterreich-Ausgabe