Noch mehr Druck auf Pflegekräfte?
Die jüngste Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes sorgt für Diskussionen und stellt die Pflegebranche vor weitere Herausforderungen. Die neuen Regelungen könnten den Druck auf Pflegekräfte noch weiter erhöhen. Doch was bedeuten die zu schnell beschlossenen Veränderungen konkret für die tägliche Arbeit der Pflegenden?
Die Pflegebranche steht seit Jahren unter enormem Druck. Fachkräftemangel und wachsende Anforderungen haben die Arbeitsbedingungen stark verschlechtert. Überlange Arbeitszeiten, fehlende Pausen, mangelnde Dienstplansicherheit und eine stetig steigende Verantwortung bei gleichbleibenden Ressourcen sind nur einige der Herausforderungen, denen sich die Pflegenden tagtäglich stellen müssen. „Unter diesen Umständen geben Pflegekräfte jeden Tag ihr Bestes, um den hohen Anforderungen gerecht zu werden und eine bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Daher hätten wir uns einen sorgfältigeren Gesetzgebungsprozess mit einer angemessenen Begutachtungsfrist erwartet“, betont Claudia Neumayer-Stickler, Expertin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.
Kritik an der Kompetenzerweiterung
In diesem angespannten Umfeld wird die erneute Erweiterung der Kompetenzen der Pflegefachassistenz besonders kritisch gesehen. „Ohne zusätzliche Ausbildungszeit oder strukturelle Anpassungen wird die Pflegefachassistenz schrittweise an den gehobenen Dienst angenähert. Dies führt jedoch zu einer Zunahme der Aufgaben und der Verantwortung bei gleichbleibenden Ressourcen. Damit verbessert sich weder die Arbeitsbelastung der Pflegenden noch die Qualität der Versorgung“, erklärt Martina Lackner, Expertin im ÖGB.
Auch der Wegfall des Schriftlichkeitsgebots bei ärztlichen Anordnungen wird in diesem Zusammenhang als Herausforderung gesehen. Dies könnte nicht nur zu Unsicherheiten in der Praxis führen, sondern stellt auch ein Risiko für die Patient:innensicherheit dar. Zusätzlich würde der Arbeitsaufwand für den gehobenen Dienst weiter steigen, was die Situation für Pflegekräfte noch schwieriger macht. Eine schriftliche Anordnung bleibt daher unabdingbar, um Sicherheit und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.
Sorge um die Betreuungsqualität
Die Festlegung einer möglichen Erhöhung der Gruppengröße in Einrichtungen der Behindertenbetreuung steht im Widerspruch zur individuellen Betreuung, die Menschen mit Behinderung oft benötigen. Größere Gruppen bedeuten eine niedrigere Qualität der Betreuung und sorgen bei den Trägern der Einrichtungen für Unsicherheit, da es keine klare Obergrenze gibt. Aus Sicht zahlreicher Expert:innen wäre eine Höchstgrenze von unter 12 Personen angemessen, um eine Versorgung sicherzustellen.
„Es muss klar festgehalten werden, dass die durchgeführten Änderungen nicht geeignet sind, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Gesundheits- und Krankenpflege zu verbessern. Im Gegenteil: Sie erhöhen den Druck auf die Pflegekräfte, ohne überfällige Anpassungen vorzunehmen“, erklärt ÖGB-Expertin Claudia Neumayer-Stickler. Die Pflegebranche braucht dringend nachhaltige Reformen, die die Arbeitsbedingungen der Pflegenden verbessern und gleichzeitig die Versorgung der Klient:innen sichern.
Magazin Gesunde Arbeit, Ausgabe 4/2024